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Die Wolke

Die Wolke

Titel: Die Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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Panik in den gefährdeten Gebieten des In- und Auslands erzeugte.
    »Eine Teufelswolke!« sagte die Putzfrau, während sie den Saal feucht wischte. »Sie macht alles, nur nicht das, was die Wetterfrösche voraussagen. Bei Westwind zieht sie nach Norden ...«
    Von den Frauen, die das Essen verteilten, erfuhr Janna-Berta, daß die Lebensmittelpreise vom einen zum anderen Tag in die Höhe geschnellt waren. Die Bevölkerung in den nicht betroffenen Landesteilen hatte die Supermärkte gestürmt, um sich unverseuchte Vorräte anzulegen.
    »Was ist mit der Schule?« fragte Lara. »Muß ich alles nachholen, was die anderen jetzt machen?«
    »Nein«, antwortete Laras Mutter. »Die andern gehn jetzt auch nicht zur Schule. Du versäumst nichts.«
    Einmal unterhielten sich zwei Krankenschwestern über die Sperrzonen. Nachdem Janna-Berta eine Weile zugehört hatte, begriff sie, daß es offenbar drei Sperrzonen gab: Sperrzone EINS war das Umfeld des Reaktors von Grafenrheinfeld. Dort, so hieß es, habe niemand überlebt. Das Terrain war für eine unabsehbare Zeit unbewohnbar geworden. Auch die Zone ZWEI, die sich daran anschloß – sie reichte von Bad Brückenau bis Coburg –, war noch stark verseucht und würde für Jahre gesperrt bleiben. Nur die Flüchtlinge aus Zone DREI konnten hoffen, in ein paar Monaten wieder heimkehren zu dürfen.
    Schlitz mußte zur Zone DREI gehören. Janna-Berta versuchte sich vorzustellen, wie lange ein paar Monate dauerten und wie eine Heimkehr ohne ihre Familie sein würde. Solche Gedanken taten weh. Sie scheuchte sie fort. Seit sie in Herleshausen lag, versuchte sie, nicht an Vati und Mutti und Kai zu denken. Vor allem nicht an Uli. Sie waren fort. Und sie selbst war allein.
     
    Janna-Berta lag schon ein paar Tage im Nothospital Herleshausen, wie viele wußte sie nicht genau, da kündigte sich hoher Besuch an: Der Bundesinnenminister bereiste das Katastrophengebiet. Auch in Herleshausen hatte er sich angesagt, um das Nothospital zu besichtigen, in dem viele lagen, die am Grenzübergang verletzt worden waren. Laras Mutter war sehr aufgeregt.
    »Wir müssen lüften«, rief sie, »und die Bettlaken wechseln!«
    Sie lief hinaus in den Gang und kam nach einer Weile niedergeschlagen zurück. »Nichts funktioniert«, jammerte sie. »Wir sitzen auf Bergen von schmutziger Wäsche. Die Laken sind verstrahlt, heißt es. Da traut sich keiner ran. Und neue Wäsche kommt auch nicht herein –«
    Sie riß die Fenster auf, obwohl es ein sehr kühler Tag war, setzte sich neben ihre Tochter, zog einen Kamm unter der Matratze hervor und begann hastig, Lara zu kämmen. Janna-Berta sah, wie sie die Haare, die im Kamm hängenblieben, vor dem Kind zu verbergen suchte und heimlich unter die Matratze schob. Lara war zu schwach, die Matratze zu heben.
    »In die Ruine sollte man ihn jagen!« rief Florians Vater. »Das hieße Gerechtigkeit!«
    »Da müßtest du viele Politiker hineinjagen«, sagte Florians Mutter. »Die ganze Todeszone um Grafenrheinfeld würde nicht für alle ausreichen, die an dem Elend mitschuldig sind – Politiker oder nicht. Aber wir können uns nicht beschweren. Wir leben in einer Demokratie und haben die Politiker, die wir verdienen.«
    »Einen krieg ich heute zu fassen!« rief der Vater.
    Die Mutter winkte müde ab.
    Janna-Berta stellte sich den Innenminister vor. Sie sah ihn heiter, mit spöttisch herabgezogenen Mundwinkeln. So kannte sie ihn aus dem Fernsehen und von Zeitungsfotos. Die Eltern hatten oft von ihm gesprochen und sich über ihn ereifert.
    »Fragen werd ich ihn«, begann Florians Vater wieder. »Fragen, ob er ein gutes Gewissen hat.«
    »Seine Leute würden's so weit gar nicht kommen lassen«, sagte Florians Mutter. »Und wenn, ist er um eine Antwort bestimmt nicht verlegen.«
    Der Vater schwieg.
    »Ich frag mich, ob solche Leute überhaupt ein Gewissen haben«, sagte die Mutter.
    »Bitte«, sagte Laras Mutter, zu Florians Vater gewandt, »machen Sie keine Szene.«
    Florians Vater schlug mit der Faust gegen die Bettpfanne, die er gerade zu seinem Sohn trug. Sie dröhnte wie ein Gong. Dann schob er sie Florian liebevoll unter und beugte sich über ihn, der vor Schreck über den erregten Wortwechsel in Tränen ausgebrochen war.
    Um die Mittagszeit knatterte ein Hubschrauber im Tiefflug über die Schule. Wenig später fuhren draußen auf dem Platz Polizeiwagen und ein Jeep vor. Janna-Berta hatte sich aufgerichtet und schaute durch das Fenster hinaus. Unter den Männern, die ausstiegen,

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