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Die Wolkenkinder

Die Wolkenkinder

Titel: Die Wolkenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Hanks
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gemein zu machen. Mehrfach hatte ihre Mutter sie schon aus der Gesindeküche gezogen, wo Amelie sich immer wieder bestens mit der Köchin unterhielt und gerne von deren vorzüglichen Haferplätzchen naschte.
       Aber Amelie hatte einen Plan. Die Gelegenheit war einmalig: Sie und die Jungs allein in der Stadt! Was für ein Abenteuer! Darauf hatte sie schon lange gewartet. Hier in der behüteten Welt des Hochadels war doch nichts los: Jeder Handgriff wurde ihr abgenommen, alles und jedes war reglementiert. Ein bunter Falter der torkelnd von einer Blüte zur Nächsten flatterte, war geradezu eine Sensation in ihrem tristen Dasein. Nein, das konnte sie sich nicht entgehen lassen! Gott sei Dank war ihr Herr Papa heute morgen zur Jagd ausgeritten, denn der Graf, das wusste sie natürlich genau, hätte diesen Aufzug augenblicklich untersagt - war schon schwer genug gewesen, ihm die Kutsche auszureden, statt dessen hatte sie jetzt diese blöden Gardisten am Hals. Wie sollte man sich denn mit diesen bunt geschmückten Zinnsoldaten unauffällig unters Volk mischen? Aber Amelie war gut vorbereitet: Die nächste Schenke würde Abhilfe schaffen! An Geld sollte es nicht mangeln und wenn die Comtesse einladen würde, konnten die Gardisten gar nicht anders ...
       Geradezu erleichtert, den affigen Putz endlich losgeworden zu sein, kam Dietbert zuerst aus dem Schloss gehüpft, Randolf und Lothar, die nicht ganz so beschwingt folgten, war es etwas mulmig zumute; wussten sie doch, dass diese Aktion einen Haufen Ärger nach sich ziehen konnte. Aber was sollten sie tun? Die Herrschaft war aus dem Haus, daher konnte niemand Amelie widersprechen. So hofften sie, dass der Graf das bei der Bemessung ihrer sicher anstehenden Strafe berücksichtigen würde.
       Amelie konnte es kaum erwarten und strolchte vergnügt voran – für die Jungs kein Problem, die Gardisten aber waren in ihren Prachtuniformen schon nach kürzester Zeit am Hecheln wie Hunde an heißen Sommertagen und konnten gerade noch so Anschluss halten.
       Die endlosen Anlagen des Schlosses hinter sich lassend, mit Schwung durch die Hauptpforte, kamen die ersten Bürgerhäuser in Sicht: schmucke, bunt angemalte Steinbauten, mit geschwungenen Renaissance-Giebeln. Das waren keine Häuser armer Leute, hier ließen sich seit Jahr und Tag nur diejenigen nieder, die es zu was gebracht hatten – auch das Stadthaus des neuen Hofmarkherren Bacher war darunter.
       Geschlossenere Bauweise folgte, denn während die Reicheren sich eine kleine Grünanlage leisten konnten, war man nun im Viertel der Handwerker angelangt und die waren froh, das sie ein einigermaßen stabiles Fachwerkhaus besaßen, vom Nachbarn nur durch einen Feuerspalt getrennt und manchmal auch nur mit Stroh gedeckt. Einige der Familien hatten zur Straße hinaus ihre Holzklappläden, die fast über die ganze Front reichten, seitlich mit Stäben hochgestellt und somit ihr Geschäft eröffnet und dabei gleichzeitig ein Sonnendach geschaffen.
       Amelie, die nur an Sonntagen in der Kutsche diese Straße passiert hatte, um mit ihren Eltern die Kirche zu besuchen, war verblüfft, dass alles so anders aussah, wenn man so nahe daran war. Und wie sich das alles anhörte und wie das alles roch! Eine neue Welt tat sich für die junge Comtesse auf.
       Bei einem Schuster hielt sie länger an. Das frisch geschnittene Leder und der Leim rochen wahnsinnig intensiv. Und dann die Werkzeuge: Krummnadel, Ahle, Zangen, Spitzeisen – welche Formen! Auch die Arbeit des Schusters selbst, der Amelie weiter keine Bedeutung zumaß, hielt sie im Bann: Mit welchem Geschick er da mit zwei starken Nadeln und drahtigem Zwirn ein doppeltes Sohlenleder auf seinem Nähkolben bearbeitete – sagenhaft! Überall Lederflicken, Nägel, Holzstifte. Amelie befühlte einen Leisten – wie kunstvoll er gearbeitet war, der Meister sah von seiner Arbeit hoch, war er bei Gelegenheit doch schon von so jungem Gesindel beklaut worden. Er überlegte gerade, ob er der jungen Dame das Anfassen seiner Utensilien untersagen sollte, zögerte aber, da es sich hier auch um eine junge Kundin handeln könnte – der Kleidung nach war sie nicht arm; richtige Schuhe konnte sie sich offensichtlich leisten! Und während der Schuster noch schwankte, wie er sich verhalten sollte, schafften es die Gardisten endlich zu Amelie und ihren Begleitern aufzuschließen.
       „Comtesse!“ hechelte der erste, der sie erreichte. „Sie müssen etwas langsamer gehen! Bedenken Sie

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