Die Wolkenkinder
schamlos belogen und du bist darauf hereingefallen!“
Der Graf schickte alle Bediensteten aus seinen Räumen, sah der verzweifelten Amelie in die tränengefüllten Augen und sagte mit dunkler Stimme in ruhigem Ton: „Ich weiß, meine Liebe! Ich weiß!“
Amelie stockte in jeder Bewegung und schaute ihren Vater ungläubig an: „Aber ... aber ...“
„ Beruhige dich!“ legte der Graf seine Hand auf ihre Schulter und ging dann etwas auf und ab. „Was Emmerich betrifft, so konnte ich ihm heute absolut nichts nachweisen und es waren einfach zu viele Leute anwesend, die mir, falls ich ihn härter verurteilt hätte, Ungerechtigkeit vorgeworfen hätten. Ich wäre das Risiko eingegangen, dass mich mein Volk gehasst hätte. Ich habe lange überlegt: Falls ihr, du und die Knappen, recht habt – und davon gehe ich aus … brauche ich die Unterstützung meines Volkes, um letztendlich zu siegen! Diesen Emmerich kaufe ich mir ohne Öffentlichkeit! Der ist ab heute seines Lebens nicht mehr sicher! Den Alten auf seiner Burg hole ich mir in den nächsten Tagen schon! Wir schleifen seine Feste und bringen ihn weit weg in eine geschlossene Zelle in einem abgelegenen Kloster – da kann er dann den Rest seines Lebens über seine Missetaten ausgiebig nachdenken – soweit er dazu überhaupt noch fähig ist!“
Amelie war heilfroh, sich dermaßen in ihrem Vater getäuscht zu haben und setzte zu einer versöhnlichen Entschuldigung an: „Verzeih bitte, ich hätte dich besser kennen müssen ...“
„ Schon gut, Kleines! Ich wusste, dass du so reagieren würdest, aber ich musste so vorgehen, um selbst vor den Bediensteten den Schein zu wahren! Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir Verräter in unseren Reihen haben - die Silberlinge des Judas sind immer noch im Umlauf! Was denkst du: Kann ich mich auf die Knappen verlassen?“
„ Unbedingt!“ beteuerte Amelie und fügte mit verklärten Augen und besonders weicher Stimme hinzu: „Insbesondere auf Randolf! Randolf ist der Klügste von allen! Und obwohl er auch der Mutigste ist, kann er so beruhigend, so einfühlsam sein! Er ist ...“
Amelie erwischte sich selbst dabei, wie sie ihrem Vater von einem jungen Mann vorschwärmte und wie sie gerade eben an seinen Gesichtszügen erkennen konnte, war das nicht unbedingt das, was ihr Vater von ihr hören mochte; das konnte Randolf zum Nachteil gereichen, so brach sie schnell ihre Schwärmerei ab und schwenkte um: „Eigentlich ist Dietbert der Mutigste und der Stärkste, du solltest ihn irgendwann zum Schlosskommandanten machen!“
„ Nun mal langsam!“ winkte der Graf ab. „Noch sind die drei nur einfache Knappen! Aber gerade bei dieser Angelegenheit liegt mir viel an ihrer Hilfe!“
„ Ich bin mir vollkommen sicher! Die Jungs werden dich nie und nimmer enttäuschen!“
„ Das will ich hoffen! Ich werde dir dann Bescheid geben, wann du die jungen Männer zu mir schicken kannst, damit ich ihnen ihre Aufgaben in dieser Sache übertragen kann. Jetzt wäre es mir lieb, du könntest mich ein wenig allein lassen – ich möchte den ganzen Fall noch einmal in Ruhe überdenken.“
Als Amelie fast die Ausgangstür des Saales erreicht hatte, sprach sie ihr Vater noch einmal, mit unsicherer Stimme und sich etwas windend an: „Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn du dir einen der Knappen zum Begleiter auserkoren hättest! Lass dir für solche Dinge noch Zeit - du bist doch noch so jung - und spreche unbedingt noch einmal mit deiner Mutter über dieses Thema! Versprich mir das bitte ganz fest!“
„ Ganz wie du willst Vater! Ich werde mit Mutter reden!“
Der Tag war, trotz des zu Ende gehenden Sommers, brütend heiß gewesen und jetzt in den Abendstunden lag über der riesigen Anlage des gräflichen Schlosses eine lähmende Melancholie – es war, als ob sich ein schweres, dampfgefülltes Leinentuch nur langsam hob, um den frischen Winden, die allabendlich die Bergrücken herunter wehten, Platz zu machen.
Die Jungs lagen träge auf ihren Pritschen umher und hatten es nach längerer Beratung aufgegeben, sich mit der Entscheidung des Grafen herumzuplagen. Randolf hatte in den vergangenen Stunden als einziger den Kern der Wahrheit erahnt und war der Meinung, dass der Graf schlauer war, als es den Anschein hatte und wahrscheinlich die Lügengeschichte Emmerichs durchblickt hatte. Lothar und Dietbert waren sich dessen nicht so sicher und wollten notfalls
Weitere Kostenlose Bücher