Die Wolkenkinder
ihm belustigt entgegen und begann sein Pferd zu satteln.
Ein herrlicher Tag begann. Jedes einzelne Schneekristall schien in der großartig weiten Bergwelt zu funkeln. Sie passierten enge, schattige Felsdurchgänge, bewunderten die verschneiten Berggipfel und überquerten schroffe, steile Bergflanken.
Zur Mittagszeit, sie hatten gerade eine dunkle, tiefe Schlucht hinter sich gelassen, kam, zwischen all den Bergen in einer weiten Senke, die trutzige Burg des alten Grafen in Sicht. Sie lag inmitten dieser Hochebene auf dem Plateau eines wild überwucherten Hügels, davor ein kleiner See.
„ Richtig idyllisch!“ bemerkte Randolf, fügte aber noch hinzu: „Wenn man nicht gerade wüsste, wes’ Geistes Kind hinter diesen klotzigen Mauern haust!“
Von ihrer luftigen Anhöhe aus, auf der sie sich gerade befanden, hatten sie einen sehr guten Überblick über die Situation rund um das uralte Bollwerk. Dietbert musterte scharf jeden Fuß breit des Geländes und stellte zunächst einmal befriedigt fest, dass die Besatzung der Burg offensichtlich sorglos war – also war ihre Mission geheim geblieben!
„ Wird schwierig werden, unerkannt bis zur äußeren Ringmauer vorzustoßen!“ erkannte er. „Die Männer auf den Mauern haben verdammt gute Sicht nach allen Seiten! Einzig dieses Gestrüpp an der Seite da könnte etwas Deckung bieten.“
Die Bergflanke, die auf den Zeichnungen zu sehen gewesen war, lag doch etwas weiter entfernt und zudem hatte der Graf in Schussweite Holzpalisaden errichten lassen und diese mit Spießen bewehrt. Der Zweck war klar: Überwand jemand die schräg zur Burg ausgerichteten zugespitzten Pflöcke, stand er, wie auf dem Präsentierteller, für die Bogenschützen zum Abschuss bereit – ein schneller Rückzug war unmöglich, dafür waren die Palisaden zu hoch. Vor der ersten Burgmauer war ein breiter, offensichtlich erst kürzlich ausgebesserter, Wassergraben zu sehen, der es unmöglich machte, die Mauern einzurammen oder zu untergraben. Auch Leitern kamen aus gleichem Grund nicht in Frage.
„ Wir müssen näher ran!“ sagte Dietbert. „Gott sei Dank ist der Schnee hier auf diesem kleinen Hochplateau schon geschmolzen, sonst könnten wir das Ganze erst recht vergessen!“
„ Warten wir doch auf die Dunkelheit!“ schlug Randolf vor.
„ Geht nicht!“ wiedersprach Dietbert. „Wir sind hier um zu erkunden; in der Nacht sehe ich nicht genug, um entsprechende Angriffspläne auszuarbeiten.“
„ Über die Ebene zur Burg können wir auf keinen Fall gehen!“ erkannte auch Randolf. „Da würden die uns schon aus etlicher Entfernung sehen!“
„ Wir müssen die Burg umgehen“, sagte Dietbert. „Auf der Rückseite wachsen anscheinend Krüppelkiefern und anderes Buschwerk. Ein schwerer Fehler des Burgherren das Zeug nicht abgebrannt zu haben!“
„ Glaubst du, dass sich da ein ganzer Trupp oder gar eine ganze Armee unerkannt nähern könnte?“
„ Weiß ich auch noch nicht, dafür kann ich das Gelände aus dieser Entfernung zu schlecht einsehen! Jedenfalls gehen wir kein Risiko ein! Wir gehen nur zu zweit und lassen auch die Pferde hier!“
„ Du willst uns zurücklassen?“ protestierte Amelie, die sich schon um ihr Abenteuer geprellt sah.
„ Ja, genau!“ stellte Dietbert unmissverständlich klar. „Dies ist kein Sonntagsausflug! Was glaubst du, was die mit uns machen, wenn die uns erwischen? Du wirst wahrscheinlich geschont, wenn sie dich rechtzeitig erkennen würden, wärst aber für den Alten ein willkommenes Faustpfand – nach allem was ich so von deinem Großvater gehört habe, nimmt er auf Familienbande ja keine großen Rücksichten!
Amelie erkannte die Richtigkeit dieser Argumentation, zog aber trotzdem eine beleidigte Schnute und wandte Dietbert demonstrativ den Rücken zu.
„ Ich sag’s ja!“ kommentierte Dietbert dieses Verhalten. „Frauen haben im Krieg nichts verloren! Sie machen alles nur noch viel schwerer!“ Und zu Lothar gewand: „Du bleibst mit Amelie und den Pferden zurück! Versteckt euch gut! Und im Falle, dass man euch doch entdeckt, flieht ihr im Schweinsgalopp mitsamt unseren Pferden, wir treffen uns dann in der Schlucht an unserem Erdloch von Gestern!“
„ Alles klar!“ bestätigte Lothar, der heil froh war, etwas aus der Schusslinie zu kommen.
Dietbert und Randolf machten sich sogleich auf die Socken, denn sie mussten hinter den umliegenden
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