Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
gefolgt von dem Schrei eines Mädchens. Sie schnappte nach Luft. »Oh, bei Zitos Ohren! Das ist Tup!« Sie rannte los, und Hester folgte ihr dicht auf den Fersen.
Sie bogen um die Ecke in den Gang, in dem Tup und Goldener Morgen ihre Boxen hatten, und schlitterten beide auf dem Sägemehl, bevor sie zum Stehen kamen.
Tup hatte die Hinterläufe auf das Tor des Stalles gerichtet. Gerade als sie ankamen, trat er nach hinten aus und ballerte mit voller Wucht gegen das Tor. Das Schloss knarrte so laut, dass Lark dachte, es würde brechen. Molly, die kleine braune Ziege, kauerte in einer Stallecke.
Petra Süß stand blass und wütend mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand und schrie: »Ruhig, Seraph! Ruhig!«
Und neben Petra stand mit der Gerte in der Hand und einem Gesicht wie eine Gewitterwolke Wilhelm von Oc.
»Was ist denn hier los?«, fragte Lark. Bei dem Klang ihrer Stimme wirbelte Tup herum und presste sich mit dem Hinterteil gegen die Rückwand. Er hatte den Kopf erhoben und die Ohren angelegt; Schweiß rann die Flanken hinunter und über seine zusammengefalteten Flügel. Lark schlüpfte hastig zu ihm in den Stall.
Eine Hand auf Tups heißen Hals gelegt, starrte sie zu dem Fürsten und Petra. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«, wollte sie wissen.
»Nichts«, kreischte Petra. »Was ist mit dem Schreihals los, dass noch nicht einmal jemand an seinem Stall vorbeigehen darf …!«
»Er hat immer schon einen schlechten Charakter gehabt«, erklärte der Fürst mit heller Stimme. Er trat nach vorn, und Lark spürte, wie Tup sich anspannte.
»Ganz ruhig«, murmelte sie dem Pferd zu und drängte sich gegen seine Schulter. »Ruhig jetzt, Tup, es ist alles gut.«
»Es ist nicht alles gut!«, stellte Petra fest.
Mit zusammengebissenen Zähnen fragte Lark noch einmal: »Was haben Sie getan?« Sie hatte zum Fürsten gesprochen, doch Petra mischte sich ein.
»Der Fürst ist bloß durch die Ställe gegangen.« Mit erhobenem Zeigefinger sagte Petra zu Lark: »Was sein gutes Recht ist! Kein anderes Pferd hat sich so benommen. Wenn Sie mich fragen, ist Seraph nicht mehr zu bändigen!«
»Sehr schön. Ich habe Sie aber nicht gefragt«, schnappte Lark.
Fürst Wilhelm verzog die Lippen und spielte mit der Gerte in den Händen. »Der kleine Hengst hat einen schlechten Charakter.«
Lark schob trotzig ihr Kinn vor. »Hat er nicht«, erwiderte sie. »Er hat bloß ein gutes Gedächtnis.«
Der Fürst blickte sie finster an. »Es wäre klug, wenn Sie Ihr eigenes Gedächtnis ein wenig bemühten, Sie ungezogene Göre. Vergessen Sie nicht, mit wem Sie reden!«
Lark lag schon eine bissige Antwort auf der Zunge, doch dann dachte sie daran, was der Fürst ihrer Familie angedroht hatte, und riss sich zusammen.
»Ganz recht«, meinte Wilhelm mit einem kalten Lächeln. »Wie ich sehe, verstehen wir uns.« Er ließ die Gerte in seine Handfläche knallen. »Sie mögen zwar Ihre erste Prüfung bestanden haben, obwohl wir das schwerlich erwartet haben …«
Bei diesen Worten grinste Petra, und Larks Herz schlug heftig vor Wut.
»Aber Sie haben noch etliche Leistungserhebungen vor sich. Und das mit einem widerspenstigen Hengst.« Er trat einen Schritt näher. Tup zitterte an Larks Schulter, und sie spürte seine wachsende Anspannung. Sie packte seine Mähne und zwang ihn zur Ruhe.
»Ein Fehler«, murmelte Wilhelm. Seine Augen wirkten wie schwarzes Eis. »Nur ein einziger Fehler, Larkyn Hammloh, und Sie sind ihn los.«
»Dazu wird es nicht kommen«, brachte sie mit zusammengepressten Lippen hervor.
»Das hoffe ich nicht«, sagte Wilhelm mit der seidigen Stimme, die jedem, der sie kannte, einen Schauer über den Rücken jagte. »Denn es wäre eine Schande.« Er ließ die Gerte noch einmal in seine Handfläche knallen, woraufhin Tup zurückschreckte. Als Wilhelm das sah, wurde sein Lächeln noch breiter. »Viel Glück.« Er klemmte die Gerte unter den Arm, drehte sich um und schritt den Gang hinunter.
Petra hatte die Hände in die Hüften gestemmt und glotzte Lark an. »Wie können Sie es wagen, so mit Durchlaucht zu reden? Ihr Verhalten ist unentschuldbar! Ich glaube, das sollte die Leiterin …«
»Ach, hören Sie doch auf, Süß«, zischte Hester. »Es gibt Dinge, von denen Sie einfach keine Ahnung haben.«
»Was soll das heißen?«, fragte Petra und drehte sich herum, um Hester direkt anzusehen. »Wieso tun Sie immer so, als wüssten Sie mehr als jede andere? Nur weil Ihr Vater zu den Edlen des Rates gehört
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