Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
auf die oberste Latte des Zauns. »Was?«
»Kennen Sie Baron Riehs aus Kleeh?«
»Nein. Wir sind uns noch nie begegnet.«
»Er ist ein kluger Mann und meiner Meinung nach auch ein aufrechter Mensch«, fuhr Frans fort. »Natürlich nur soweit ein Diplomat es sich leisten kann, ehrlich zu sein. Er hat angeboten, ein Bataillon auszuheben, um die entführten Kinder aus dem Wildland zu retten.«
Philippa rang nach Luft. »Frans, der Baron verlangt sicherlich einen hohen Preis für eine solche Tat.«
»Ja«, erklärte Frans. »Aber einen, den wir entrichten können.«
»Und der wäre?«
»Seine jüngste Tochter, Amelia, möchte ein geflügeltes Pferd fliegen.«
Philippa nahm die Hand vom Zaun und verschränkte die Arme. »Das ist der Preis? Dass wir seine Tochter an ein
Pferd binden, eine Tochter aus dem Hause Kleeh an eines von Kallas Wesen …«
Frans nickte. »Es ist ein gutes Geschäft, Philippa. Es ist politisch durchaus sinnvoll und eröffnet uns zumindest eine Möglichkeit, die Kinder zu retten.«
»Aber wir wissen nichts über dieses Mädchen.«
Frans lächelte. »Ich glaube nicht, dass Sie auch sonst viel über die Mädchen wissen, die Sie an ein geflügeltes Pferd binden, Philippa. Sie akzeptieren die Empfehlungen ihrer Eltern und ihrer Lehrer. Riehs versichert mir, dass seine Tochter stark und intelligent ist. Und selbstständig«, fügte er noch hinzu.
»Selbstständig«, wiederholte Philippa. »Das könnte auch eine freundliche Umschreibung der Eltern für ihr störrisches Benehmen sein.«
Frans zuckte wieder mit den Schultern. »Möglich. Wie weit kann man dem Wort eines Vaters schon trauen?«
Philippa schnaubte. »Manchmal nicht sehr weit«, erwiderte sie. »Aber es ist wahr. Wir haben so etwas bereits früher getan.«
Frans wurde ernst. »Ich glaube, Sie müssen dies auf der Stelle entscheiden. Wir haben keine Zeit zu verlieren, und Amelia Riehs ist bereits achtzehn.«
Philippa nickte. Frans hatte Recht. Mit jedem Tag wurde die Hoffnung, dass die zwei Kinder aus Onmarin gerettet würden, geringer. Und achtzehn war nicht zu jung, um ein Mädchen an ein geflügeltes Pferd zu binden. Sie senkte den Kopf und dachte nach. »Ich gehe davon aus, dass Sie Baron Riehs’ Urteil über seine Tochter trauen?«
»Das tue ich. Ich mag ihn, ja, ich bewundere ihn sogar. Natürlich, Eltern und Kinder sind nicht immer …«
»Sowohl ihm als auch seiner Tochter muss klar sein, dass
die Kleine so lange an Oc gebunden sein wird, wie ihr geflügeltes Pferd lebt.«
»Das ist ihm bewusst, und wie er mir versichert hat, auch seiner Tochter.«
»Gut, bei Kallas Fersen, es ist ungewöhnlich, aber ich glaube, ich könnte Margret davon überzeugen«, erklärte Philippa. »Allerdings könnte sich Ihr erlauchter Bruder dem widersetzen.«
»Und was ist mit dem neuen Zuchtmeister?«
Philippa schüttelte den Kopf. »Jinson ist mit fast allem, das mit den Blutlinien zu tun hat, vollkommen überfordert. Er wird tun, was Wilhelm ihm sagt, und nichts anderes.«
»Aha.« Frans strich sich durch die feinen Haare. »Haben wir die Unterstützung des Rats der Edlen?«
»Von einigen unter ihnen gewiss«, antwortete sie. »Ganz sicher von Baron Beeht. Er weiß, dass ich Sie um Hilfe gebeten habe. Und es gibt noch ein paar andere, die ihm in der Rotunde zur Seite stehen und fordern, dass etwas unternommen wird.«
Frans nickte leicht. »Dann sage ich Baron Riehs, dass er seine Tochter schicken soll. Der Prinz wird mir gestatten, mich eine Zeit lang zu entfernen, wenn ich ihn umsichtig darum bitte. Ich sollte meinen Bruder wohl besser selbst darüber informieren.«
»Ich denke, das sollten Sie tun«, erwiderte Philippa. »Viel Vergnügen.«
Frans lachte freudlos. »Herzlichen Dank.«
Philippa neigte den Kopf. »Ich danke Ihnen, Frans. Auch das Volk von Onmarin wird Ihnen dankbar sein. Kommen Sie uns besuchen, wenn Sie im Palast sind.«
»Rechnen Sie in drei Tagen mit mir.«
Ein paar Minuten später wandte Philippa Sonis Kopf, um
mit ihm die Flugkoppel hinunterzugaloppieren. Als die Stute sie hoch in den Himmel und von dem Palast forttrug, blickte Philippa über die Schulter zurück. Frans stand immer noch am Zaun der Koppel, eine schmale Gestalt in einem langen schwarzen Mantel, die ihre Augen mit der Hand schützte, um dem Flug zuzusehen. Sie winkte zum Abschied, und auch Frans hob grüßend den Arm.
Im Sattel schob Philippa für den Moment ihre Sorgen beiseite; sie dachte nicht mehr an die vermissten Kinder, die
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