Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
gemütlichen Studierzimmer wieder, in dem ein kräftiges Feuer brannte. Sie steckte ihre Kappe in den Gürtel, lief vor dem breiten Fenster des Studierzimmers auf und ab und faltete dabei die Handschuhe.
Wilhelm ließ sie nicht lange warten. Unversehens stand er im Zimmer, eine Hand auf die schmale Hüfte gestützt, die Finger der anderen in die Tasche seiner reich verzierten Weste gesteckt. Er hielt allerdings Abstand zu Philippa. Als ob das etwas ändern würde!
»Ich habe einen Brief aus Arlhen für Sie, Hoheit«, sagte sie ohne Einleitung.
Weder veränderte sich Wilhelms Gesichtsausdruck, noch
zuckte er mit der Wimper. Eiskalt sagte er: »Warum Sie, Philippa? Seit wann sind Sie für den Prinzen als Botin tätig?«
»Das bin ich nicht«, erklärte Philippa. »Dies hier ist eine Nachricht von Ihrem Bruder. Die Botin hat ihn auf ausdrücklichen Wunsch von Prinz Frans zur Akademie gebracht.« Sie löste die Botentasche von ihrem Gürtel, durchquerte den Raum und reichte sie ihm.
Wilhelm rührte sich nicht vom Fleck, doch Philippa hätte schwören können, dass er vor ihr zurückwich. Er streckte den langen Arm aus und nahm die Tasche mit spitzen Fingern entgegen. Philippa musterte ihn fast hochmütig, dann trat sie zum Kamin, um die Wärme des Feuers zu genießen.
Wilhelm öffnete die Lederlasche, hielt dann jedoch inne und ließ die Bänder herunterhängen. Er blickte Philippa mit zusammengekniffenen Augen an. »Trotzdem, ich frage, wieso ausgerechnet Sie, Philippa? Sicherlich weiß Frans, dass zwischen uns nicht gerade besonders große Zuneigung besteht.«
»Ich habe den Brief nicht gelesen«, erwiderte sie. »Vielleicht verstehen Sie seine Beweggründe ja nach der Lektüre.«
»Das kann ich nur hoffen.«
»Oh ja«, sagte sie entschieden. »Ich glaube, davon können Sie ausgehen.«
Wilhelm zog den Brief aus der Tasche, ging zu einem Samtsofa und strich die Seiten auf dem kleinen Beistelltisch davor glatt. Philippa beobachtete ihn, während er ihn erst einmal und dann noch einmal las. Er schwieg eine ganze Weile, rollte den Brief wieder zusammen und steckte ihn in seine Weste. Dann stand er auf, ging hinüber zum Kamin, stellte sich direkt vor sie und starrte in die Flammen.
Sie wartete. Nach etwa einer Minute atmete er langsam ein und hob den Kopf. Seine Augen funkelten. Wie eine Schlange, dachte sie. Er sieht wahrhaft aus wie einer der Alten.
»Ich mag es nicht, wenn über meine Privatangelegenheiten getratscht wird«, sagte er schließlich. Seine Stimme war angespannt, sein Gesicht wie in Stein gemeißelt. »Insbesondere, da Sie diese Informationen benutzt haben, um mich zu manipulieren.«
»Ich habe Frans nur erklärt, dass Sie sich vor der Verantwortung für Ihr Volk drücken.«
»Sie meinen diese Hinterwäldler da oben in Onmarin?«, spie er hervor. »Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Philippa! Ich habe wirklich andere Sorgen als das.«
»Sie sind der Fürst. Die Pflicht gegenüber Ihrem Volk steht an erster Stelle«, erwiderte sie.
Sein Gesicht lief dunkelrot an. »Wie können Sie es wagen, mir vorzuschreiben, was meine Pflicht ist?«
Philippa verschränkte die Arme und tippte nervös mit den Fingern auf ihre Ellbogen. »Ihr Vater wäre entsetzt, wenn er wüsste, dass Sie sich nicht um Ihre Untertanen und Bürger kümmern, egal wie gewöhnlich deren gesellschaftlicher Rang auch immer sein mag.«
»Ich kümmere mich um Oc!«, fuhr er hoch. »Alles, was ich tue, geschieht ausschließlich zum Wohle des Fürstentums.«
»Ach wirklich?« Philippa löste die Arme und hob eine Hand, als wolle sie seine Brust berühren. »Gehört die Veränderung Ihres Körpers ebenfalls dazu, Wilhelm?« Sie ließ seinen Titel absichtlich weg, und an dem Flackern seiner Augen erkannte sie, dass er es durchaus registriert hatte. »Pfuschen Sie zum Wohle des Volkes an den Blutlinien herum
oder weil Sie die Tradition der geflügelten Pferde zunichtemachen wollen? Ich glaube kaum, dass sich ein selbstloser Mensch so verhält.«
»Wieso klagen Sie mich dann nicht an? Sie haben doch genug Freunde im Rat.«
Philippa ließ die Hand sinken. »Ich tue das nur deshalb nicht, weil ich mir Sorgen um das Fürstentum mache. Was wird aus Oc, wenn der Rest von Isamar von Ihrer Verantwortungslosigkeit erfährt?«
Er holte tief Luft. Sie sah, wie seine Hand zu seinem Gürtel zuckte. Doch die Gerte, von der Larkyn glaubte, sie habe magische Kräfte, war nicht dort.
Philippa trat zurück und atmete ebenfalls tief durch.
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