Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
»Durchlaucht«, sagte sie so ruhig, wie es ihr in dieser angespannten Atmosphäre möglich war. »Es ist noch nicht zu spät. Geben Sie diesen Irrsinn auf, lassen Sie Ihren Körper wieder seinen natürlichen Zustand annehmen. Setzen Sie den alten Zuchtmeister wieder in sein Amt ein.« Sein Schweigen machte ihr Mut, und so fügte sie schnell hinzu: »Sie könnten auch mit Ihrer Schwester Frieden schließen.«
Er warf den Kopf zurück und blickte sie zornig an. »Sie gehen zu weit!«, erwiderte er. Seine Stimme war so gepresst, dass sie ihn kaum verstehen konnte. »Was zwischen Pamella und mir vorgefallen ist, geht Sie überhaupt nichts an.«
»Es tut mir leid, aber es geht mich sehr wohl etwas an«, insistierte sie nachdrücklich. »Normalerweise würde es mich nicht kümmern. Aber natürlich haben Sie Angst vor dem, was sie uns erzählt hat, und das verschafft mir Macht über Sie.« Er verzog den Mund und zuckte mit den Schultern. »Selbst das würde mich nicht weiter kümmern, wenn es nicht mit Ihrer Einmischung in die Blutlinie der geflügelten Pferde zu tun hätte.«
Er verschränkte die Arme, wodurch sich die leichte, aber unübersehbare Wölbung seiner Brust unter der aufwendig bestickten Weste abzeichnete. Bei dem Anblick wurde Philippa fast übel. Sie hatte den Eindruck, dass seine Lippen voller und sein Kinn schmaler geworden waren, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er sah irgendwie merkwürdig aus, wie das Gemälde eines perversen Künstlers.
»Ich werde meinem Bruder gestatten, das Angebot von Baron Riehs anzunehmen. Und ich werde Jinson informieren, wollte sagen, Meister Jinson, dass die Tochter des Barons an ein geflügeltes Fohlen gebunden werden soll«, erklärte er steif. »Allerdings dürfen Sie diese anderen Angelegenheiten nie wieder erwähnen«, fügte er hinzu.
»Denn sonst?«, erkundigte sich Philippa müde. »Sie können mir nichts anhaben.«
»Oh, doch«, widersprach er, beugte sich ein bisschen nach vorn und verzog die dünnen Lippen zu einem Lächeln. »Es gibt da noch diesen Hof im Hochland. Ich glaube, er heißt der Untere Hof, der, von dem die kleine Hammloh stammt.«
Der vertraute Schmerz in Philippas Nacken verstärkte sich. Sie verzog das Gesicht und rieb sich den Hals.
Wilhelm kicherte tonlos. »Wie ich sehe, haben Sie mich verstanden. Ein einziges Wort von mir genügt, und die Hammlohs verlieren den Unteren Hof.«
»Die Hammlohs kümmern sich um Ihre Schwester«, versetzte Philippa. »Und um ihr Kind. Bedeutet Ihnen das denn gar nichts?«
»Ach, Philippa, jetzt habe ich Sie wohl schockiert. Dachten Sie wirklich, nur weil diese Bauern Pamella bei sich aufgenommen haben, würden sie verschont werden?«
»Ehrlich gesagt, ja.«
Er zuckte affektiert die Schultern. »Dann haben Sie sich getäuscht. Diese Art von Härte gehört zu den Dingen, die einem Anführer Macht verschaffen, und wenn nötig, werde ich mich ihrer bedienen.«
Philippa zog die Kappe aus dem Gürtel und setzte sie auf. Sie ging auf die Tür zu, öffnete sie, ließ die Hand aber auf der Klinke liegen und blickte ihn über die Schulter hinweg an. »Ihr Vater würde sich für Sie schämen.«
»Mein Vater war ein Schwächling.«
»Er war ein ehrenhafter Mann«, widersprach Philippa.
»Wieso? Weil er keinen Finger gerührt hat, ohne dass diese Versammlung tattriger Greise ihre Zustimmung gegeben hat?«
»Ich warne Sie, Wilhelm. Ich will nicht, dass das Vermächtnis Fürst Friedrichs zerstört wird.«
»Und ich bin erst am Ziel meiner Wünsche, wenn jede verdammte Pferdemeisterin vor mir auf die Knie fällt«, gab Wilhelm eisig zurück.
Kapitel 8
D ie Mädchen der Akademie tuschelten aufgeregt und voller Vorfreude über den bevorstehenden Besuch des jüngeren Fürstenbruders, Lark jedoch war nervös und ängstlich.
»Wovor hast du bloß Angst, Schwarz?«, fragte Hester ruhig. Alle drei Klassen waren in der Halle versammelt und erwarteten die Ankunft von Fürst Wilhelms jüngerem Bruder. Es war ein aufwendiger Empfang vorbereitet worden, und die Mädchen, die wie immer hungrig waren, drückten sich in der Nähe der Tische herum und warteten auf das Zeichen, sich auf die Brote, Butterbiskuits und Eistorten stürzen zu dürfen, die dort bereitstanden. Lark und Hester warteten an den Fenstern im Eingangsbereich und hielten Ausschau nach Prinz Frans’ Gefolge. Es hatte recht früh in diesem Jahr angefangen zu schneien, und die kleinen Flocken bildeten auf dem Kopfsteinpflaster verschlungene
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