Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
Philippa«, rief sie mit leicht zittriger Stimme. »Vergiss das nicht!«
Lark fuhr wieder herum und beobachtete Meisterin Winter, als sie antwortete, doch sie konnte keine Gefühlsregung in ihrem Gesicht entdecken. »Das werde ich«, sagte sie. Sie hob zum Gruß die Gerte. »Ich komme zurück, sobald ich kann, Margret.«
Lark stellte fest, dass sie sich an Hesters Ellbogen festklammerte, als Wintersonne auf den Hinterläufen wendete und die Flugkoppel hinuntergaloppierte. Sie wirbelte mit den Hufen kleine Schneewolken auf, und als sie sich in die Luft erhob, glitzerten ihre Fesseln weiß. Doch ihre Flügel waren sauber und trocken, und sie stieg stetig über dem Wäldchen empor und flog wie ein roter Pfeil über die Hecken und den Weg hinweg.
»Was macht sie, wenn es anfängt zu schneien, Hester?«
»Das hängt davon ab, wie heftig es schneit«, erklärte Hester. »Wenn der Schnee zu dicht fällt, wird sie landen und warten müssen.« Sie tätschelte Larks Hand. »Mach dir keine Sorgen, Schwarz. Wir haben genügend eigene Aufgaben zu erledigen.«
»Ja«, erwiderte Lark. »Ich weiß.« Doch als sie sich zu den Stallungen umdrehte, um der mürrischen Erna beim Ausmisten zu helfen, brannte ihr Magen vor Anspannung und drohte das Frühstück wieder von sich zu geben, das sie vor einer Stunde so hastig heruntergeschlungen hatte.
Bei der Zusammenarbeit mit Erna vermisste sie ihre alte Freundin Rosella nur noch mehr. Während sie mit der Mistgabel Stroh schaufelte, frisches Sägemehl verteilte und die Sattelkammer fegte, dachte sie an Rosellas breites Zahnlückengrinsen und an die Sommersprossen auf ihren runden Wangen. Als sie beobachtete, wie Erna lustlos Wasser in die Eimer füllte, erinnerte sie sich daran, wie sehr Rosella die geflügelten Pferde geliebt, wie tief sie sie verehrt
hatte. Sie verstand nicht, was Kalla damit bezweckte, der Akademie ein unfähiges, mürrisches Stallmädchen zu schicken und Rosellas Leben ein derart trauriges Ende zu bereiten.
Als sie die Aufgaben erledigt hatte, die Meisterin Morghen ihr wegen ihres gestrigen Vergehens aufgebrummt hatte, wurde es bereits dunkel. Nach dem Essen würde sie noch lernen müssen. Zu Bett konnte sie noch lange nicht.
Sie ging hinüber zum Schlafsaal, um sich vor dem Abendessen ein sauberes Wams anzuziehen. Dabei warf sie einen besorgten Blick himmelwärts. Wo Meisterin Winter wohl jetzt war? Es hatte wieder begonnen zu schneien, ein paar vereinzelte trockene Flocken fielen durch die Dunkelheit. Ob es wohl in Onmarin ebenfalls schneite? Lark versuchte sich vorzustellen, wie Wintersonne über die Strände glitt, so wie Hester und sie es getan hatten. Es schien ihr sehr lange her zu sein, und doch war die Erinnerung an die gespenstischen Schiffe, die zähnefletschenden Hunde und die Schreie aus dem Dorf noch genauso lebendig, als wäre es erst gestern geschehen. Lark fröstelte und lief hastig über den Hof.
Beim Essen schienen alle Larks Stimmung zu teilen. Die Pferdemeisterinnen steckten an ihrem höher gelegenen Tisch flüsternd die Köpfe zusammen, und Meisterin Morghen sprach so gut wie gar nicht. Selbst die Schülerinnen wirkten bedrückt. Als Meisterin Morghen aufstand, wünschte Lark Hester und Anabel eine gute Nacht und lief mit dem Aufgabenbuch unter dem Arm die Stufen hinauf.
In der kleinen Bibliothek brannte eine Lampe, doch das Feuer war fast erloschen, so dass es in dem Raum unangenehm
kühl war. Lark stocherte mit dem Schürhaken in der Asche und legte zwei kleine Holzscheite nach. Sie wartete am Fenster darauf, dass sie anfingen zu brennen, und rieb sich die Arme, damit sie warm wurden.
Es hatte stärker angefangen zu schneien, und die Umrisse der Stallungen auf der anderen Seite des Hofes sowie des großen Schlafsaals wirkten gespenstisch. Genauso sahen die Gebäude auf dem Unteren Hof aus, wenn das Bauernhaus, die Scheune und der Hühnerstall von Schneeflocken bedeckt wurden. Die schwarze Steinmauer, die den Küchengarten umgab, trug eine weiße Haube, und zu allen Seiten erstreckten sich unberührt die brachen Felder. Auf einmal dachte Lark an ihre Brüder in der großen alten Küche, wo der Ofen brannte, ein Teekessel pfiff und der Tisch für das winterliche Abendessen gedeckt war. Vielleicht gab es Käse und Suppe und einen Brotlaib, den Nikh aus Willakhiep mitgebracht hatte. Zum Nachtisch wurden Kekse und schwarzer Tee gereicht. Peonie war eine gute Köchin, und jetzt half ihr ja auch noch Pamella. Lark hoffte, dass sie daran
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