Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
anderen Seite des Hofes am Fenster ihres Büros stand und den Blick ebenfalls starr gen Norden gerichtet hatte. Lark wollte bereits über das Kopfsteinpflaster zu ihr gehen und ihre Besorgnis mit ihr teilen, doch dann erinnerte sie sich wieder daran, wer sie war, und wandte sich stattdessen den Stallungen zu. Kurz bevor sie
hineinging, drehte sie sich noch einmal um und sah, dass Meisterin Morghen immer noch mit einer Hand an den Fensterrahmen gestützt dastand.
Mitten in diese Zeit des Wartens hinein erschien das Mädchen aus Kleeh an der Akademie.
Amelia Riehs war schlank und hatte ein schmales Gesicht mit braunen Augen sowie unauffällige braune Haare. Sie trug ein strahlend blaues Wams mit einem goldenen Gürtel und einen elegant drapierten Rock. Ihre Haare wurden von einem mit Edelsteinen besetzten Netz gehalten, und als sie aus der Kutsche stieg, kamen schmale Stiefel mit hohen Absätzen zum Vorschein. Zwei Diener beeilten sich, diverse Koffer und eine mit Stoff bezogene Reisetasche vom Kutschwagen zu laden. Eine Zofe sowie die beiden Diener folgten Meisterin Riehs, als diese die Stufen zur Halle hinauffegte.
Hester, Lark und die anderen Mädchen der zweiten Klasse kehrten gerade vom vormittäglichen Unterricht bei Meisterin Stern von der Trockenkoppel zurück. Sie musterten die Entourage, die auf dem Weg in die Halle war. Meisterin Morghen erschien im Türrahmen und streckte ihnen zur Begrüßung die Hände entgegen.
»Seht euch nur das Brimborium an!«, flüsterte Lark, als das Mädchen aus Kleeh mit der geübten Eleganz eines Höflings vor Meisterin Morghen einen Hofknicks vollführte.
Jeder im Hof konnte Meisterin Morghens strenge Ermahnung hören: »Das war Ihr letzter Knicks, liebes Kind. Für immer.«
Amelia Riehs erhob sich und starrte die Leiterin an. Es folgte ein peinlicher Augenblick, in dem die Diener mit offenem Mund dastanden und die Zofe erschrocken eine Hand an den Hals schlug. Schließlich nickte die Tochter
des Barons. »Ich habe wohl etwas falsch gemacht, Meisterin?«, sagte sie mehr als Feststellung denn als Frage. »Es tut mir leid. Ich hoffe, Sie werden mir bald ein korrektes Verhalten beibringen.«
Meisterin Morghen neigte den Kopf und bedeutete dem Mädchen mit einer Geste einzutreten. Sie drehte sich abrupt um, so dass der Saum ihrer Reitertracht herumwirbelte, und betrat die Halle. Die Zofe folgte ihr, doch die Hausdame erschien und deutete stumm auf den Schlafsaal. Nachdem die Tür hinter der Leiterin und der neuen Schülerin ins Schloss gefallen war, wanderte die Dienerschaft aus Kleeh mit dem ganzen Gepäck die Treppe wieder hinunter und über den Hof zum Schlafsaal. Die Kutsche mit dem Kutscher und vier wundervollen grauen Kutschpferden blieb stehen, wo sie war.
Die Zweitklässlerinnen sausten über den Hof, scharten sich um die grauen Pferde und bewunderten sie. Der Kutscher blickte erstaunt zu ihnen hinunter, als er hörte, wie wortreich sie ihre Bewunderung über die Pferde zum Ausdruck brachten.
»Seht euch nur diese Fesseln an!«, rief Anabel. »Ihre Knochen sind doppelt so stark wie bei meiner Chance!«
»Und sie sind so groß!«, flüsterte Grace. »Ihr Widerrist ist höher als mein Kopf.«
Lark lächelte zu dem Kutscher nach oben. »Sie passen sehr gut zueinander, nicht wahr? Und sie sind wunderbar gepflegt. Ihr Schweif ist wie aus Seide.«
Der Kutscher hob die Kappe. »Danke, edle Dame. Ich möchte die jungen Damen nur bitten, sie nicht zu erschrecken.«
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich! Niemals würden wir ein Pferd erschrecken!«, sagte Hester indigniert.
Natürlich hatte sie Recht. Die Mädchen bildeten einen Kreis um die Tiere, sprachen leise mit ihnen und mieden jede plötzliche Bewegung.
Nach kurzer Zeit beugten die großen Pferde ihre Hälse, schnüffelten an den Gesichtern der Mädchen und zuckten behaglich mit den Ohren.«
»Dürfen wir ihnen eine Leckerei geben?«, erkundigte sich Beatrixah und lief zur Küche, ohne eine Antwort abzuwarten. Erst als sie mit einem Sack voll Karotten und Äpfel zurückkam, lachte der Kutscher und gab seine Einwilligung. Schon bald mampften die vier riesigen Kutschpferde, warfen die Köpfe hoch und standen entspannt im kühlen Sonnenschein.
»Larkyn!«
Lark, die gerade ein Pferd hinter den Ohren kraulte, blickte auf und sah, dass Meisterin Morghen vorm Eingang der Halle stand und sie zu sich winkte. Lark blickte Hester an, die mit den Schultern zuckte und grinste, während Anabel sorgenvoll die Stirn
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