Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
sie.
»Ist er von einem Barbaren angegriffen worden?«, erkundigte sich jemand.
Philippa nahm ihren Löffel und antwortete lange Zeit nicht. Als sie einen Weg gefunden hatte, ihre Gedanken in Worte zu fassen, klang ihre Stimme zu ihrer Überraschung
weicher als zuvor. »Ja. Ich glaube, das kann man so sagen. Aber ich weiß nicht, ob ich die Wildländler jemals wieder als Barbaren bezeichnen würde, obwohl sie ein barbarisches Leben führen. Sie haben …« Sie ließ den Blick über den eleganten Speisesaal gleiten, die alten, ehrwürdigen Wandleuchter, die geschnitzten Eichenstühle, die Seitentische mit den wohlschmeckenden Speisen. »Sie besitzen nichts. Nichts als Schnee und Felsen und Fisch, um zu überleben.«
»Aber sie greifen unschuldige Völker an«, widersprach Susanna, »und nehmen Geiseln!«
»Ich weiß.« Philippa aß einen Löffel Suppe und schloss die Augen bei dem vollendeten Geschmack. »Das weiß ich. Und dafür sind sie hinlänglich bestraft worden.« Während ihre Kolleginnen sie beobachteten, aß sie einen weiteren Löffel Suppe. Ein oder zwei Frauen schüttelten zweifelnd den Kopf. Philippa legte den Löffel wieder hin und verschränkte die Arme. »Für euch, die ihr hier mit einem guten Essen und in sauberer Kleidung im Warmen sitzt, ist es einfach. Aber ich frage mich, ob wir uns nicht in mancherlei Hinsicht genauso barbarisch benehmen würden, wenn wir leben müssten wie sie.«
»Das ist doch lächerlich!«, bemerkte jemand, und einige Frauen stimmten zu. »Niemals!«
»Keine von euch weiß auch nur im Geringsten, worüber ihr sprecht!«, hob Philippa an. Sie spürte ihr hitziges Temperament durchschlagen, und das war ihr deutlich lieber als die Angst und Sorge, die sie die letzten Tage gequält hatten.
»Ruhe.« Es war nicht ganz klar, mit wem Kathryn sprach, aber sie drängte Philippa einen weiteren Knödel auf. »Philippa ist erschöpft«, erklärte sie. »Reden wir ein anderes Mal darüber.«
Philippa warf ihr einen dankbaren Blick zu. Sie nahm den Knödel und blickte hinunter auf ihre Suppenschale. Ein anderes Mal, ja, aber nicht sehr bald. Es würde eine ganze Weile dauern, bis sie wusste, was sie von den Wildländlern halten sollte und was mit Lissih, Peter und ihr selbst geschehen war.
Und mit Frans. Der Gedanke an Frans, seine schreckliche Wunde, das Blut, den Schmerz und die Sorge schnürten ihr die Kehle zu.
Kathryn berührte ihren Arm. »Iss, Philippa. Du bist ja nur noch Haut und Knochen.«
Philippa nickte. Sie tat ihr Bestes, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken und ihr Mahl fortzusetzen.
Lark verließ mit den anderen Mädchen den Speisesaal und ging über den Hof zu den Ställen. Als sie an Tups Stall vorbeikam, sagte sie etwas zu ihm, ging jedoch weiter zu Wintersonnes Box. Meisterin Winter war nach dem Essen sofort in ihre Kammer gegangen. Sie hatte ausgesehen, als müsste sie eine Woche lang schlafen. Als sie an ihr vorbeigekommen war, hatte Lark gemurmelt: »Überlassen Sie mir die Stute, Meisterin.« Die Reiterlehrein hatte ihr dankbar zugenickt.
Wintersonne war zufrieden und leckte schläfrig die letzten Haferkörner mit der Zunge auf. Sie hatte auch noch ausreichend Wasser in ihrem Eimer. Lark holte eine Mistgabel und machte den Stall sauber, so dass Soni genügend frisches Stroh hatte, falls sie sich hinlegen wollte. »Du bist müde, nicht, mein Mädchen? So tapfer bist du gewesen. Solch ein Abenteuer.«
Sie tätschelte Sonis weichen Hals und ließ die Stute in ihrer Ecke vor sich hindösen. Sie kam gerade an Tups Box
an, als sie die nasale Stimme von Petra Süß hörte. »Also wirklich, Meisterin Riehs. Für mich zeugt es von schlechtem Urteilsvermögen, wenn man die Ziegenhirtin zu Ihrer Tutorin ernennt.«
»Ziegenhirtin?«, fragte Amelia. »Meinen Sie Lark?«
Petra seufzte. »Ach ja, Lark. Mit dieser Heulsuse von einem Pferd und dieser absolut dreckigen Ziege.«
»Dreckig?« Amelia sprach mit ausdrucksloser Stimme.
Lark wollte um die Ecke marschieren und Petra zur Rede stellen, legte dann jedoch nur eine Hand auf das Stalltor und blieb stehen. Molly kam und blickte zu ihr auf, ihr kleiner Bart zitterte erfreut bei der Aussicht, gestreichelt zu werden. Tup drehte den Kopf in Richtung von Petras Stimme, stellte die Ohren auf und lauschte.
Petra senkte vertraulich die Stimme. »Sie wissen doch, dass sie nur ein Bauernmädchen aus dem Hochland ist. Nicht gerade passend für die Akademie. Und ihr Fohlen, es stammt gar nicht richtig den
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