Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
zurück und schwebten tief über die Lavendelfelder hinweg. Der köstliche Duft der Lavendelblüten stieg zu ihnen auf. Die Schafe hatten sich an das Geflügelte Pferd gewöhnt, ließen sich davon nur kurz beim Grasen stören und hoben die Köpfe. Die Schäfer winkten ihr zu. Die Lavendelpflücker standen bis zu den Oberschenkeln in dem lila Blütenmeer und tippten zur Begrüßung an ihre Hüte.
Der Herbst hatte bereits seinen Höhepunkt überschritten. Die Schneedecke auf den Bergspitzen im Osten erstreckte sich jeden Tag ein bisschen weiter Richtung Tal. Als Soni zur Landung auf dem Weg hinter dem Stall ansetzte, bemerkte Philippa, wie groß und kräftig die Frühlingslämmer geworden waren. Sie liefen zwischen den Muttertieren umher, wackelten fröhlich mit den Schwänzen und erinnerten sie an die Jährlingsfohlen, die auf der Koppel der Akademie herumtollten, die Füchse und Rappen, Rotbraunen und Palominos, die mit stolz gebogenem Schweif und glänzenden Hufen über das Gras galoppierten. Urplötzlich überkam Philippa eine starke Sehnsucht.
Dieses Jahr waren nicht viele Jährlinge auf der Koppel. Die Geflügelten Pferde wurden im Zweijahres-Rhythmus geboren, und im letzten Frühjahr waren bedauerlich wenig Geflügelte Fohlen zur Welt gekommen. Aufgrund von
Wilhelms katastrophalem Zuchtprogramm hatten viel zu viele Stuten flügellose Fohlen geboren. Philippa hatte sich schon damals Sorgen um die Zukunft der Blutlinien gemacht, doch jetzt, wo alles so viel schlimmer geworden war, konnte sie nicht mehr das Geringste dagegen unternehmen.
Sie stieg ab und führte Soni in die Scheune, um sie abzuzäumen. Sie hatte gerade den Wassereimer aufgefüllt und schöpfte eine Portion Getreide, als sie ein Wiehern hinter dem Hof vernahm. Sie ließ Soni ein Blatt Blaue Luzerne fressen und eilte zur Tür, schützte die Augen mit den Händen vor der Sonne und sah den steilen Weg hinunter.
In zügigem Tempo bahnte sich ein schwarzes Pferd den Weg durch die Lavendelfelder. Zuerst konnte Philippa nicht erkennen, wer der Reiter war, doch als er den Hut abnahm und sich mit den Fingern durch die weißblonden Haare fuhr, wusste sie es.
Sie klopfte sich die Hände an ihrem Hosenrock ab und trat hinaus in den Hof. Als er nah genug war, hob sie die Hand und rief: »Frans! Willkommen in Marinan!«
Frans lächelte zu ihr hinunter, während er sein Pferd zügelte. »Philippa«, erwiderte er. »Ich bin froh, dass ich Sie endlich gefunden habe.« Er hob ein Bein über den Sattelknauf und glitt dann behände vom Pferd.
»Ich freue mich immer, Sie zu sehen, Frans. Ganz besonders jetzt. Esmond ist in all den Monaten mein einziger Besucher gewesen. Was führt Sie nach Kleeh?«
Er legte die Zügel seiner Stute über den Arm. »Ich hatte für Prinz Nicolas einen Auftrag in der Hauptstadt zu erledigen und habe dort einen jungen Prinzen von Kleeh getroffen, Esmonds Neffen.«
»Das muss Niven gewesen sein, der Sohn des Vicomte.«
Sie nahm ihm die Zügel ab und führte das Pferd zur Scheune. »Esmonds Liebling.«
»Genau der. Er wusste scheinbar von unserem Abenteuer in Wildland und hat mir verraten, dass Sie hier sind. Riehs hatte ihm erlaubt, es mir zu sagen.«
»Wie nett von Ihnen, dass Sie sich Zeit für einen Besuch nehmen.« Philippa führte die schwarze Stute in den Stall, und Frans löste den Sattelgurt. »Wie lange können Sie bleiben?«
Er blickte sie über die Schulter hinweg an. »Ich muss bald zurück nach Oscham«, erklärte er. »Ich habe dem Prinzen mit dieser Reise nur einen Gefallen getan, denn eigentlich arbeite ich seit dem letzten Winter in der Weißen Stadt. Mein erlauchter Bruder …« Er nahm den Sattel ab, wuchtete ihn auf das Stalltor, lehnte sich einen Augenblick darauf und ließ die Ellenbogen auf dem weichen Leder ruhen. Mit ironischem Unterton fuhr er fort: »Mein Bruder nimmt nicht mehr an den Versammlungen des Rates teil, Philippa. Also fällt mir die Aufgabe zu, die Interessen des Fürsten in der Rotunde zu vertreten.«
Philippa reichte Frans ein Handtuch. »Es überrascht mich, dass Wilhelm das zulässt«, sagte sie, während er sich umdrehte und den schweißnassen Rücken der Stute abrieb.
Er lachte freudlos auf. »Ach, das ist Wilhelm egal«, erklärte er, »solange die Edlen des Rates oder ich keine weitreichenden Entscheidungen treffen. Er weigert sich schlichtweg, irgendeinen Beschluss zu unterzeichnen, ganz gleich, wie bedeutungsvoll er sein mag.«
»Das ist doch keine Art, ein Land zu regieren,
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