Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
die
Adeligen ihre eigenen Kinder schicken müssten, hätten wir deutlich weniger Kriege als jetzt.«
»Ich hoffe sehr, dass es keinen Krieg gibt«, sagte Lark, aber sie erinnerte sich an Baron Riehs versteinerte Gesichtszüge und an seine scharfe Stimme, und ihr lief ein Angstschauer über den Rücken.
»Was haben Sie vor, Mistress?« flüsterte die schüchterne Olivah. »Weshalb sind Sie geflohen?«
Lark biss sich auf die Lippe und zögerte. Sicherlich bezog sich die Warnung des Barons, ihre Reise für sich zu behalten, nicht auf diese einfachen Leute, doch sie durfte kein Risiko eingehen. Aber es war gut, dass Tup sich in der kühlen Scheune erholen konnte, wo ihn niemand sah. Keinesfalls wollte sie undankbar erscheinen.
Sie wählte ihre Worte sorgfältig: »Es gibt Schwierigkeiten in Oc. Und an der Wolkenakademie. Wir brauchen Hilfe von … von jemandem. Sie weiß noch nichts davon.«
Agatha schob den Teller mit den Apfelschnitzen näher zu Lark und sagte: »Dann lebt diese Person wohl nicht in Isamar. Jeder hier weiß, dass Oc in Schwierigkeiten steckt.«
Lark nahm ein Stück Apfel. »Jeder? Warum?«
Mit atemloser Stimme erklärte Olivah: »Weil der Prinz die Miliz geschickt hat. Und mit ihr meinen Ronaald.«
»Ronaald, meinen Sohn«, ergänzte Agatha.
»Ja, das ist ungerecht«, bemerkte Lark. Sie knabberte an dem Apfel und wurde von dem frischen Aroma abgelenkt. »Ah, das ist köstlich!«
Agatha nickte düster. »Das sind Seesterne. Die besten Äpfel von ganz Isamar.«
»So einen habe ich noch nie gegessen«, gab Lark ehrlich zu.
»Ich weiß nicht, was wir dieses Jahr mit unserer Ernte
machen sollen«, fuhr Agatha fort. »Selbst wenn Olivah und ich die Ernte einholen, bringt Ronaald sie normalerweise mit dem Karren in die Städte und verkauft die Äpfel dort vor Ort. Einige exportieren wir mit Schiffen nach Oc, aber die Schiffe fahren dieses Jahr ja nicht.«
»Haben Sie denn keine Ahnung, wo Ronaald stationiert ist?«
Agatha schüttelte den Kopf. »Aber wenn Sie dorthin zurückkehren, wo Sie herkommen, Mistress und ihn treffen …«
»Sagen Sie ihm, dass es uns gutgeht«, führte Olivah den Satz leise zu Ende.
Agatha warf ihr einen verwunderten Blick zu, dann nickte sie ihrer Schwiegertochter bestätigend zu, obwohl sie ihre Stirn in so tiefe Falten gelegt hatte wie nie zuvor. »Du hast Recht, Olivah. Sagen Sie Ronaald, Mistress, dass es uns gutgeht.«
Nachdem Lark mehrmals den Himmel abgesucht hatte und sicher war, dass Mariella Rauch nicht weiter versuchte, sie zu finden, sattelte sie Tup und führte ihn in Agathas Scheunenhof. Ein Trampelpfad führte von der Obstplantage hinunter zum Meer, von dort konnten Tup und sie starten. Agatha und Olivah gaben ihr eine Tasche mit Äpfeln mit, doch Lark packte die meisten von ihnen mit großem Bedauern wieder aus. »Sie sind herrlich, aber sie sind schwer, und wir haben eine lange Reise vor uns«, erklärte sie entschuldigend.
»Sie können gern über Nacht hier bleiben«, schlug Agatha zum dritten Mal vor. »Es wird schon bald dunkel und ich mache mir Sorgen um Ihre Sicherheit.«
Lark schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich orientiere
mich an einem Stern. Er soll direkt über meinem Ziel stehen, sobald die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist.«
Als sie in den Flugsattel sprang, standen die beiden im Hof. Am liebsten hätte sie den Sattel dort gelassen, doch ihre Sachen waren daran befestigt und wenn sie nur mit dem Brustgurt und Tups Zaumzeug flog, wie sie es so gern tat, wusste sie nicht, wohin damit. Sie sah zu den Frauen zurück und tippte mit den Fingern an die Schirmmütze.
»Viel Glück, Lark«, rief Olivah und rieb sich ihren dicken Bauch.
»Ja. Ihnen auch viel Glück mit Ihrem Kind.«
Agatha hatte die Stirn gerunzelt und winkte, während Lark Tup lenkte und er den Weg hinuntertrabte.
Der Weg war fest und weich. Tup galoppierte, beschleunigte zu einem leichten Galopp und kurz darauf erhoben sie sich in die Luft. Sie flogen tief über die Felder hinweg, damit man sie von Arlehn aus nicht sah, und drehten dann nach Osten, wo das grüne Wasser in der tief stehenden Nachmittagssonne glitzerte.
Lark hatte die Karte des Barons so lange studiert, bis sie sie auswendig kannte. Wenn sie darüber nachdachte, wie gewagt ihr Vorhaben war, fröstelte ihr, also zwang sie sich, nur an ihr Ziel zu denken. Ich habe keine Angst, sagte sie sich, aber es ist schon gefährlich. Doch es ging nicht anders, und deshalb brauchte sie auch nicht weiter
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