Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
darüber nachzudenken. Außerdem hatte sie es dem Baron versprochen.
Als Tup auf das Meer zuflog, lenkte Lark ihn weiter hinauf und erinnerte sich an alles, was sie über das Fliegen über dem Wasser gelernt hatte. Es fiel ihr ein, dass die Luftströmungen unberechenbar waren. Der Wind konnte sie aufhalten, er konnte aber auch drehen und Tup beschleunigen.
Wenn alles gutging, dauerte der Flug ungefähr drei Stunden. Es gab einen Punkt, an dem sie nicht mehr zurückkonnte, an dem sie nicht mehr einfach ihre Meinung ändern konnte, aber das verdrängte sie. Eigentlich hatte sie diesen Punkt bereits überschritten, als sie ihre Klasse verlassen und ohne Erlaubnis in Richtung Süden geflogen war. Damals war ihr Weg bereits vorgezeichnet gewesen.
Als sie sicher war, dass sie jetzt außer Sichtweite der Pferdemeisterinnen von Arlehn oder vom Südturm war, drängte sie Tup weiter in die Höhe. Er stieg auf, und sie flogen gleichmäßig über das weite Meer, bis die Bauernhöfe und Häuser von Isamar langsam hinter ihnen verschwanden und die Bergspitzen immer kleiner wurden. Die untergehende Sonne schien auf ihren Rücken, und die salzige Luft blies Lark so stark ins Gesicht, dass ihre Augen tränten. Bald konnte Lark die Westküste gar nicht mehr ausmachen, als sie über ihre Schulter zurücksah. Sie lehnte sich in ihrem Sattel ein wenig zurück, ließ Tups Flügel locker und betete zu Kalla, dass sie sie richtig führen möge. Sie durften sich auf dem Wasser auf keinen Fall in der Richtung irren.
Sie flogen etwa eine Stunde lang, ohne dass sie hinter oder vor sich Land sahen. Unter ihnen waren nur grüne Wellen und gelegentlich tauchte in der Ferne ein Meeresvogel auf. Ein- oder zweimal wurde Tup von einer Windböe erfasst, doch dann streckte er die Flügel aus und schwebte, bis sie vorüber war. Er flog so sicher, als hätte er schon häufig das Meer überquert. Lark überlegte, ob er das Wissen vielleicht in seiner Seele trug. Manche glaubten, dass die Geflügelten Pferde von den Glanzvollen Alten abstammten, die ihre Lager hoch in den Bergen verlassen hatten, um über die großen Gletscher und die lange verschwundenen Schneefelder zu fliegen. Vielleicht hatte er es ja sogar von
Seraph, dem Urahn der Boten. Vielleicht war er einst über das Meer geflogen und hatte die Erinnerung daran an die Pferde seiner Blutlinie weitergegeben.
Nach einer Weile schätzte Lark, dass sie die Hälfte des Weges hinter sich hatten. Sie versuchte, ihre Muskeln zu lockern und ihre Hände zuversichtlich um die Zügel zu legen. Sie spürte bei Tup keine übermäßige Müdigkeit, doch das Wasser unter ihnen wurde ständig dunkler und wirkte irgendwie bedrohlich. Sie hob den Blick und beschloss, nicht mehr nach unten zu sehen.
Sie spähte nach vorn und suchte das Licht des Abendsterns. Baron Riehs hatte ihr erklärt, dass er über Marina stehe, er habe es selbst von seinem Schiff aus gesehen. Wenn sie und Tup direkt darauf zuflogen, konnten sie nichts falsch machen.
Als sie am Horizont einen dunklen Rand entdeckte, dachte sie zuerst, sie hätten bereits Kleeh erreicht. Doch als sie weiter darauf zuflogen, bemerkte sie voller Angst, dass es sich um eine Wolkenbank handelte, die über die Wasseroberfläche auf sie zurollte. Sie hätte Tup am liebsten angetrieben, schneller zu fliegen, doch sie fürchtete, ihn zu ermüden. Sie fürchtete auch, dass die Wolken womöglich den Abendstern verdeckten und sie die Orientierung verloren.
Sie legte ihre Hände auf Tups Widerrist und spürte die Hitze seines Körpers. Zumindest er schien keine Bedenken zu haben. Seine Muskeln arbeiteten geschmeidig und gleichmäßig, und er hatte die Ohren gespitzt, als wüsste er genau, wo er hinwollte.
Das konnte sie nur hoffen. Die Wolkenbank stieg und wirbelte wie der Rauch der Herbstfeuer in verschiedenen Grautönen durcheinander. Sie verdeckte das Wasser und
streckte wie mahnend die Finger nach dem Himmel aus. Während Tup Dutzende Flügelschläge tat, beobachtete sie, wie die Wolken immer höher stiegen, und dabei hatte sie den Stern, an dem sie sich orientieren konnten, noch immer nicht gesichtet.
Schließlich ging die Sonne am Horizont im Westen unter. Der Wind wurde kühler und um sie herum brach schnell die Dunkelheit an. Eine ganze Zeit lang flogen sie durch Wolken. Sie wurden von dichtem Nebel eingehüllt, und weder am Himmel noch auf dem Wasser schimmerte irgendein Licht, an dem sie sich hätten orientieren können. Lark fühlte sich fast, als hätte
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