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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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hörte das natürlich auf, und Dolors konnte ihm endlich antworten, er könne sie mal kreuzweise, sie denke nicht im Traum daran, mit dem Lesen aufzuhören, das sei ihr das Allerliebste auf der Welt. Und Eduard war platt.
    Wie sehr unterschied sich doch der Eduard der letzten Jahre von dem, den sie in ihrer Jugend kennengelernt hatte. Sie erinnert sich, wie sie ihren Vater an vielen Sonntagen im Winter zu den langweiligen Abendgesellschaften der Fabrikbesitzer begleiten und sich dafür in Schale werfen musste. Was haben Sie bloß für eine hübsche Tochter, bemerkte ihre künftige Schwiegermutter zu ihrem Vater und wandte sich dann an sie. Bist du denn schon verlobt, mein schönes Kind? Nein, Senyora, erwiderte Dolors, doch dachte sie insgeheim, dass sie mehr verlobt war als irgendjemand sonst, auch wenn man das mit Antoni vielleicht nicht unbedingt so nennen konnte, denn tatsächlich handelte es sich bei ihm ja nicht um einen Verlobten im herkömmlichen Sinne. Die Dame des Hauses ging darum auch sogleich zum Angriff über, ah, Eduard, komm her, rief sie den jungen Mann, und Eduard kam, um sie zu begrüßen, er gab ihr lasch die Hand und verbeugte sich leicht vor ihr. Warum plaudert ihr nicht ein wenig über eure Angelegenheiten?, meinte seine Mutter, und noch während sie von dannen rauschte, fragte sich Dolors, was wohl ihre Angelegenheiten mit Eduard sein mochten, sie kannten sich kaum und hatten beide eigentlich überhaupt nichts gemein, im Gegenteil, der blasse, ernst dreinblickende Mann machte sie sogar eher ein wenig beklommen.
    Und so saßen sie stumm nebeneinander auf zwei Stühlen an der Stirnseite des Saals, in dem das Fabrikantenehepaar mitsamt seiner Verwandtschaft darauf lauerte, was sie undEduard taten, ob sie sich anlächelten oder seine Hand die ihre streifte. Mit Schrecken erinnert sich Dolors daran, dass sie nicht wusste, worüber sie mit ihm reden sollte, und so wie’s aussah, ging es ihm mit ihr nicht anders. Schließlich versuchte sie es auf gut Glück. Lesen Sie gern?, fragte sie ihn. Augenblicklich wurde Eduard noch ein bisschen blasser. Hin und wieder lese ich, ja, erwiderte er, aber eigentlich spiele ich viel lieber Tennis, Sie nicht auch? Dolors hatte schon einige Male auf dem Tennisplatz gestanden und sah nun, dass sie die Unterhaltung in diese Richtung lenken musste, denn über Literatur zu sprechen war mit diesem Fabrikantensohn nicht drin. So begann sie, mit ihm über die Spielregeln und berühmte Tennisspieler zu plaudern, denn darüber wusste Eduard alles, sodass er schließlich in einen endlosen, lebhaften Monolog verfiel, dem Dolors zu lauschen vorgab. Schaut, wie sie ihn ansieht, raunten die Verwandten daraufhin, offensichtlich macht er Eindruck auf sie, und wie eloquent er redet   … Erst viel später verstand Dolors, warum Eduard bei ihr so viel redete. Weil seine Mutter weder ihn noch sonst jemanden jemals zu Wort kommen ließ. Immer war sie die Königin, immer hatte sie etwas zu erzählen oder zu kommentieren.
    Bei Antoni hingegen erübrigten sich die Worte. Als Dolors das nächste Mal mit ihrem Korb und der gleichen Handvoll Kastanien, die sie am Tag zuvor gesammelt hatte, sein Haus betrat, fragte er, ob sie nicht ein Glas Wasser wolle. Oder vielleicht Milch? Das wollte etwas heißen: Bei ihr daheim gab es die immer, aber im Haus eines Arbeiters war Milch so kurz nach dem Krieg ein unerhörter Luxus. Ich habe auch Wein, fügte er hastig hinzu, eine ganze Flasche, möchten Sie ihn probieren? Später sollte er ihr gestehen,dass er ihr den Vorschlag mit dem Wein bloß gemacht hatte, weil er so verlegen war. Doch Dolors hatte es gefallen, dass er ihr Wein anbot. Ja gern, hatte sie geantwortet, worauf es Antoni beinahe die Sprache verschlug. Verzeihen Sie   … ähm, ich dachte   …, stammelte er völlig verwirrt, ich dachte eigentlich, dass Sie nicht trinken. Ich trinke sonst nie, aber heute habe ich Lust dazu, erwiderte sie mit einem Lächeln. Einige Augenblicke lang starrte er sie an und ging dann die Flasche holen. Noch ein Spiel mit dem lodernden Feuer: Dolors trank nie Alkohol, sie wusste nicht, wie Wein schmeckte und was mit ihr geschehen konnte, wenn sie das trank, was ihr Vater zu den Mahlzeiten genoss.
    Jetzt muss Dolors wieder lachen, ja sie kann gar nicht mehr aufhören damit und lässt das Strickzeug deshalb kurz sinken. Schon nach zwei Schlucken war ihr der Wein zu Kopf gestiegen. Sie erinnert sich noch ganz genau an seinen Geschmack, er schmeckte wie reiner

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