Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
und ihre neue Freundin nicht, sie lachen sich noch immer tot über die Sache mit dem Ring.
Antoni hatte so etwas nicht gebraucht, er musste sie nur ansehen, und schon wurde ihr heiß. Die Kammer der verbotenen Bücher war der beste Ort, um ihre Leidenschaft ungehemmt ausleben zu können; wo zwei Seelen eins werden, gesteht man einander gewisse Freiheiten zu, die man sonst niemandem erlaubt. Und nach Jahren dieses Liebesrauschs hatte Dolors Antoni nun also von Eduards finanziellem Ruin und ihrem Hass auf ihn erzählt, und Antoni hatte ihr vorgeschlagen, ganztags bei ihm zu arbeiten.
Ich habe Arbeit gefunden, verkündete Dolors ihrem Mann tags darauf. Er schreckte hoch. Du hast Arbeit gefunden?
Du
? Aber du hast doch nichts … Eduard sprachden Satz nicht zu Ende, doch Dolors wusste, was er sagen wollte: Aber du hast doch nichts gelernt! Obwohl er bereits am Boden lag, kam dieser Mann ihr so, offenbar verlor man seinen Stolz wirklich erst ganz am Schluss. Und anscheinend konnte man auch eine Ewigkeit an der Seite eines Menschen leben, ohne ihn zu kennen. Da fand Dolors es endlich an der Zeit, sich einmal selbst zu loben, und sagte frei heraus: Ich hab nichts gelernt?! Da täuschst du dich gewaltig: In den letzten Jahren habe ich Philosophie und Literatur studiert und vor einem Jahr meinen Abschluss gemacht.
Eduards Gesicht sprach Bände. Überraschung lag darin, gepaart mit tiefem Schmerz. Dass sie studiert und wie er ein Diplom in der Tasche hatte, dass sie ihm womöglich geistig ebenbürtig oder ihm an Intelligenz sogar überlegen war, musste ihn in seiner Eitelkeit zutiefst kränken. Dolors empfand in diesem Augenblick allerdings nur hämische Schadenfreude, was ihr bewusst machte, wie sehr sie ihn inzwischen hasste, so sehr, dass ihre Gefühle ihm gegenüber ihr langsam Angst machten. Donnerwetter!, rief Eduard schließlich, weil er wohl irgendetwas sagen musste, du hast also eine Anstellung als Lehrerin gefunden.
Als Mireia sie neulich besuchen kam, humpelte sie doch schon sehr. Was für ein Glück du hast: Deine Tochter ist wirklich aufmerksam und einfühlsam, denkt Dolors nun, und ihre Gesichtszüge werden dabei ganz weich, sie behauptete, im Viertel ein paar Besorgungen machen zu müssen, und ließ sie beide allein. Mireia ist schwerhörig, und Dolors kann nicht sprechen. Jeder Außenstehende hätte sich gefragt, was das wohl für eine spannende Unterhaltung werden würde. Doch ihnen blieb ja noch das Gespräch derAugen. Und mit Mireia ging das sehr gut. So wie Teresa oder früher Antoni und nun auch Martí sie mit einem einzigen Blick verstehen. Du siehst gut aus, hatte sie ihr mit leuchtenden Augen zugeschrien, und mit Gesten hatte Dolors erwidert, du auch.
Mireia, ich habe Antoni wieder getroffen. Es geht schon eine ganze Weile … Das hatte sie ihr vor vielen Jahren gebeichtet und mit angehaltenem Atem auf die Reaktion ihres ehemaligen Dienstmädchens gewartet, die schon vor ihrer Hochzeit ihre engste Vertraute gewesen war. Die glücklich verheiratete Mireia, für die ihr Mann ihr Ein und Alles war, hatte einen Augenblick geschwiegen, dann gelächelt und schließlich gesagt: Das freut mich sehr für dich, Dolors, das freut mich von ganzem Herzen.
Damals hatten sie über alles gesprochen. Jetzt war das nicht mehr nötig, jetzt verstanden sie sich auch ohne Worte und Gebärden, sie schauten sich nur an und dachten beide das Gleiche: Alles vergeht, nur unsere vielsagenden Blicke und die Freundschaftsbande bleiben bestehen.
Viele Worte musste Dolors allerdings bei Eduard machen, damit er verstand. Sie saßen in der Küche beim Frühstück, und Eduard war wie erstarrt. Nein, ich werde nicht unterrichten, erklärte Dolors, ich werde in einer Buchhandlung arbeiten, und tischte ihm dann die Geschichte auf, die sie sich schon seit langem zurechtgelegt hatte. Bei der Abschlussprüfung habe ich Antoni wiedergetroffen … Du erinnerst dich an Antoni, nicht wahr? Den aus der Fabrik … Sie sagte nicht, Teresas Vater, doch sie dachten es natürlich beide. Eduard nickte nur, unfähig, auch nur ein Wort von sich zu geben, denn dass nun Antoni ins Spiel kam, erfüllte ihn wohl mit eisigem Schrecken.
Er hat eine Buchhandlung, fuhr Dolors erbarmungslos fort, und mir damals gesagt, wenn ich je Interesse daran hätte, würde er sich über jemanden wie mich als Unterstützung sehr freuen. Die Buchhandlung ist groß, und es gibt noch zwei weitere Angestellte. Und er zahlt mir ein gutes Gehalt. Sicher wird uns
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