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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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Besseres einfällt, um die Spannung zwischen den beiden ein wenig zu mildern, seufzt Dolors. Ein so tödliches Schweigen ist nämlich schlimmer als der schärfste Wortwechsel. Und sie sitzt mittendrin. Martí sagt schließlich gepresst:
    »He, das war doch bloß ein Witz, Papa.«
    Jofre fährt sich mit einer Hand durch die Haare. Obwohl er die Haare seit vielen Jahren kurz, sogar sehr kurz trägt, macht er das immer noch, diese Marotte, die auf seine Hippiemähne zurückzuführen ist, wird er nicht wieder los.
    Auch Maria hatte diese schlechte Angewohnheit, auch sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare, doch bei einer Frau achtet man vielleicht nicht so darauf, sorgen sich Frauen doch ständig um die Frisur oder ihr Make-up. Doch als sie damals zu ihr kam, konnte sie gar nicht damit aufhören, und zum Schluss fiel es Dolors auf. Zwei Wochen hatte sie nichts von Antoni gehört und sich schon fast an den Gedanken gewöhnt, ihn für immer verloren zu haben. Sie hatte sogar schon mit der Arbeitssuche begonnen und ein Vorstellungsgespräch in einer Buchhandlung und eins in einer Schule gehabt. Arbeit gab es damals reichlich, das war nicht das Problem, es war nicht wie heutzutage.
    An jenem Tag war Leonor zu Hause. Sie hatte die Tür geöffnet und die unbekannte Frau begrüßt, die nach ihrer Mutter fragte. Darf ich um Ihren Namen bitten, hatte ihre Tochter höflich gefragt. Maria. Ihre nervöse Stimme schallte durch die Wohnung, und Dolors kam eilig herbei, danke, Leonor, und jetzt lass uns bitte allein. Leonor zog sich mit einer befremdeten Miene zurück, und Dolors bat Maria ins Esszimmer, aber diese lehnte ab. Ich gedenke nicht, auch nur einen Schritt in Ihre Wohnung zu tun, sagte sie, und da bemerkte Dolors, dass Maria tatsächlich genau auf der anderen Seite der Türschwelle stehen geblieben war, die Füße fest zusammen, als wollte sie sichergehen, dass sie nicht aus Zufall auf die Grenzlinie trat.
    Ich komme nur, um Ihnen mitzuteilen, begann sie nervös, dass Sie nicht denken, Sie hätten gewonnen, meine Kinder lieben mich und bleiben bei mir, und er wird mir jeden Monat eine Menge Geld bezahlen müssen. Mit zitterndem Kinn machte Maria eine Pause, Sie haben das Vertrauen missbraucht, das wir Ihnen entgegengebracht haben,Sie verdienen es, in der Hölle zu schmoren! Dolors war zu überrascht, um etwas zu sagen, am liebsten hätte sie Maria die Beleidigungen mit gleicher Münze zurückgezahlt, doch sie biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Sie sah, wie Antonis Frau mit klappernden Pfennigabsätzen die Treppe hinabstürzte, wie sie umknickte, sich dem Schmerz zum Trotz zusammenriss, bevor die Haustür laut ins Schloss fiel.
    Dolors verstand sie. Sie konnte nachvollziehen, dass sie gekränkt war, und verstand auch ihr Bedürfnis, sie zu verteufeln. Das war wie mit dem Schwanz der Eidechse, der noch zuckt, wenn er längst abgehackt ist. Sie versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen, in die Lage der gedemütigten Frau, vielleicht hätte sie das Gleiche getan, über sie zu urteilen, hatte sie kein Recht.
    Durch Marias unerfreulichen Besuch erfuhr Dolors, dass Antoni sich von seiner Frau getrennt hatte. Mehr als dreißig Jahre später, bei den letzten Reihen des Ärmels für einen Pullover, der sie am Leben hält und mit der Gegenwart versöhnt, überlegt sie, dass sie trotz allem niemanden so hätte lieben können, wie Maria Antoni liebte. Dass es verschiedene Arten zu lieben gibt. Dass niemand weiß, welches die wahre Liebe ist. Dass alle Arten ihre Berechtigung haben, aber dass sich einem die Liebe mit fünfundachtzig Jahren anders darstellt, nicht so kompliziert, viel einfacher, viel schlichter.
    Jofre hat den verdutzten Martí mitten im Wohnzimmer stehen lassen. Er schaut seine Großmutter an, und diese winkt ab, wie, um ihm zu sagen, er solle Jofres Worte bloß nicht ernst nehmen. Martí verstünde seine Reaktion gut, würde er die Geschichte mit der treulosen Ich-dich-auch-Mònicakennen. Aber davon weiß er nichts, weshalb er sich nur verwundert am Kopf kratzt und dann im Arbeitszimmer verschwindet. Heute fragt er seine Großmutter nicht, willst du mit dem Kätzchen spielen, und Dolors fordert es auch nicht bei ihm ein, denn sie hat zu viel zu tun, irgendetwas sagt ihr, dass der Pullover nicht fertig wird, wenn sie sich nicht beeilt, und das darf unter keinen Umständen passieren, es ist das Einzige, was ihr noch wirklich wichtig ist.
    An einem dieser Tage, gestern, vorgestern, vorvorgestern, vor einer

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