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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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zurückkommt, wird ihr ein Pullover in Magersüchtigen-Größe nicht mehr passen. Deshalb strickt sie sie ein bisschen weiter, so als ob nicht eine, sondern zwei Sandras hineinpassen sollten.
    Zum Glück ist sie bald fertig, denn in letzter Zeit ist sie sehr erschöpft. Laufend gleitet ihr die Nadel aus der zittrigen Hand, es fällt ihr schwer, die Kontrolle darüber zu bewahren und sich zu konzentrieren, die Maschen fallen ihr herunter, und sie muss wieder ein Stück auftrennen.
    Gerade hat sich Martí von ihr verabschiedet, er will bei Dani übernachten. Und Jofre hat sich immer noch im Schlafzimmer eingeschlossen. Wie lange dauert es wohl noch bis zum Abendessen? Im Augenblick sieht es ganz soaus, als bliebe heute die Küche kalt, und Dolors ist müde und hungrig.
    Und deshalb wird sie jetzt aufstehen, in die Küche gehen und nachsehen, ob sie irgendwo noch eine Tafel Schokolade findet. Allein bei dem Gedanken läuft ihr das Wasser im Munde zusammen.

Die Nähte
    Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, hat Martí mit einem verständnisvollen Lächeln vorhin zu ihr gesagt. Nicht zu fassen, dass sie sich mit der Höhe des Regals so verschätzt hat. Nur deshalb hat sie das Gleichgewicht verloren, als sie das Glas mit der Schokolade herunterholen wollte, das ihr dann im Fallen auch noch aus den Fingern rutschte und auf dem Boden in tausend Splitter zersprang. Dolors war beschämt. Mein Gott, und das nur, weil sie solche Gelüste nach Schokolade gehabt hatte, und jetzt kann sie sich überhaupt nicht mehr bewegen, mit dem Arm im Gips und dem Bein   … Ach, das Bein, sie will gar nicht daran denken.
    Das Unglück geschah wie so üblich ohne Vorwarnung. Wäre man vorgewarnt, würde man so etwas anders aufnehmen, gut gewappnet kann man die Dinge angemessen und unter Umständen mit Humor hinnehmen. Es müsste eine Art modernes Orakel von Delphi geben, das einem das Schicksal preisgibt. Anstelle der Pythia über ihrer Erdspalte könnte ein junges hübsches Mädchen – so eines wie Sandra, nur gut genährt – in der Bar an der Ecke als Sprachrohr von Apoll dienen, dem Gott des Orakels. Die Dämpfe der Erde, die durch die Spalte nach oben strömten und diePriesterin in Trance versetzten, wären in der heutigen Version die Dämpfe der Kaffeemaschine. Dolors kann sich das Lachen nicht verkneifen. Nein, das ging nicht, wenn der Kaffeeduft das Mädchen in Trance versetzen könnte, dann würde er das ja auch mit allen anderen in der Bar tun, und am Ende besäße jeder die Fähigkeit, über das Schicksal zu sprechen, nein, das ging wirklich nicht.
    Sie selbst wird jedenfalls nicht durch die Dämpfe von Kaffee, sondern durch Schokoladenduft in Trance versetzt. Wenn es auch nur ein bisschen danach riecht, ist es um sie geschehen. Am Ende hat Schokolade für sie also doch eine größere Bedeutung als die Bücher. Natürlich hat sie sie alle hier, ihre und Antonis verbotene Bücher. Allesamt stehen sie in den Regalen, die Martí in ihrem Zimmer aufgestellt hat.
    Das Schicksal hatte es mit Antoni und ihr nicht gerade gut gemeint. Oder vielleicht doch, vielleicht gibt es ja Dinge, die eine höhere Macht dazu bestimmte, verboten zu sein, wie die Bücher oder ihrer beider Beziehung. Die Bücher hörten auf, von Interesse zu sein, als die Demokratie ins Land zurückkehrte. All die Texte, die vierzig Jahre lang versteckt worden waren, konnten nun mit schmuckem Einband wiederaufgelegt und verkauft werden, als wäre nichts gewesen. Kaum zu glauben, sagte Antoni damals, nachdem ich sie so viele Jahre wie meinen Augapfel gehütet habe, will sie nun keiner mehr haben, weil es alte Ausgaben sind. Doch für mich sind sie nach wie vor sehr wichtig. Bei diesen Worten sah er sie zärtlich an. Für mich auch, antwortete Dolors. Gott, wie sie diesen Mann liebte, wie sie fühlte, dass er ein Teil von ihr war.
    Die Jahre vergingen, Leonor heiratete Jofre, und Dolorswohnte fortan allein. Selbst Antonis Kinder akzeptierten schließlich, dass ihr Vater eine Frau liebte, die nicht ihre Mutter war. Und dann, als beide auf die Rente zugingen, fassten sie den Entschluss, zusammenzuziehen. Vielleicht könnten sie die Gesellschaft des anderen bald gut brauchen. Doch das war ein großer Fehler. Zumindest scheint es, als hätte der Entschluss Apoll ganz und gar nicht gefallen, und er bestrafte sie dafür, dass sie der Versuchung erlegen waren, das Orakel herauszufordern.
    Und als ihre Finger nicht an das Regal heranreichten, hatte Dolors es erneut

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