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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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Schultern. »Ich wünschte, ich hätte das früher gewusst. Dann hätte ich versucht, dir zu helfen.«
    »Das hättest du gar nicht gekonnt«, erwiderte Meggie. »Du musstest doch hierbleiben, oder etwa nicht? Das ist dein Ding: dich dein Leben lang wie eine Nonne in der Strickerei zu verstecken.«
    Aubrey antwortete nicht.
    Bitty atmete tief aus. »Meggie, du warst noch sehr jung, als Lila verschwand. Du erinnerst dich möglicherweise nicht an alles. Vielleicht hast du Lila in deinem Kopf zu einer besseren Mutter gemacht, als sie es tatsächlich war.«
    »Ich weiß mehr oder weniger, wer sie war«, behauptete Meggie.
    »Und du erinnerst dich noch daran, wie sie gegen Ende war? Kannst du dich daran erinnern, wie sie alle linken Schuhe im ganzen Haus weggeworfen hat – jeden einzelnen, den sie finden konnte? Weißt du noch, wie sie einmal verhaftet wurde, als sie versuchte, einen Gartenstuhl aus einem Geschäft zu tragen, ohne dafür zu bezahlen?«
    »Warum sollte sie denn solche Dinge tun?«
    »Meine Theorie ist, dass sie auf Meth war«, sagte Bitty.
    »Wenn das wahr ist, hättet ihr mir das schon vor Jahren sagen sollen.«
    »Es tat zu weh, darüber zu sprechen«, erklärte Bitty. »Weißt du, wir alle haben sie geliebt. Nicht nur du.«
    »Warum habt ihr euch dann nicht auch auf den Weg gemacht, um nach ihr zu suchen?«
    »Weil sie nicht mehr da ist, Meggie«, erwiderte Bitty. »Sie ist tot.«
    »Woher willst du das wissen? Es wurde nie bewiesen.«
    »Es gibt Dinge, von denen du nichts weißt.« Bittys Stimme klang gereizt.
    »Ach ja? Was denn?«
    »Dinge …« Bitty sah aus, als müsste sie sich gleich übergeben.
    »Blödsinn«, sagte Meggie.
    Aubrey mischte sich ein, und die Worte purzelten nur so aus ihr heraus: »Mariah hat gesagt, dass Lila von der Brücke gesprungen ist.«
    »Ich weiß. Aber ich glaube nicht daran«, beharrte Meggie.
    Sie zog die Ärmel ihres übergroßen Kapuzenpullovers über ihre eiskalten Finger. Die Brücke über der Tappan Zee, der breitesten Stelle des Hudson, war ein vertrautes Bild. Als Kind konnte sie, wenn sie ihr Gesicht in einem bestimmten Winkel gegen das Fenster in ihrem Schlafzimmer drückte, das östliche Ende der prächtigen, eleganten Konstruktion erkennen, über die die Straße, gestützt von Stahlträgern, kilometerlang gen Westen führte. In ihrer Schönheit hatte stets auch etwas Gefährliches gelegen, ähnlich der Anziehungskraft einer giftigen Schlange. Jedes Jahr sprangen mehrere Leute von der Brücke in den Tod. Es wäre naiv gewesen, wenn Meggie die Möglichkeit, dass auch ihre Mutter sich auf diese Weise umgebracht hatte, nicht in Betracht gezogen hätte. Doch sosehr sie es versuchte, sie konnte sich ihre lebenslustige, leidenschaftliche, unersättliche Mutter einfach nicht vorstellen, wie sie erst das eine Bein, dann das andere über dasGeländer hievte, und schließlich die Entscheidung traf, loszulassen.
    Aubreys Stimme war sanft: »Du warst damals noch sehr klein. Fünf Jahre alt. Es gab Dinge, die Mariah dir nicht sagen wollte.«
    »Was denn?«
    »Mariah hat mir erzählt, dass Mom ihr am Abend vor ihrem Tod gebeichtet hat, dass sie Angst hatte, den Verstand zu verlieren. Dass die Strickerei sie verrückt machte. Sie sagte, sie wolle lieber sterben als zusehen, wie der Wahnsinn von ihr Besitz ergriff. Mariah glaubt …«
    »Was?«, drängte Meggie.
    Aubrey zog die Knie näher an sich heran. »Es gab eine nicht identifizierte weibliche Leiche. Die Polizei fand sie ein paar Wochen nach Moms Verschwinden. Sie wurde irgendwo im Hafen von Bayonne angeschwemmt.«
    »War es Mom?«, fragte Meggie.
    »Wir wissen es nicht«, erwiderte Aubrey.
    »Wieso nicht?«
    Bitty ergriff das Wort: »Hättest du die Leiche identifizieren wollen?«
    Meggie überlegte, ob sie es getan hätte. Die Leiche. So ein hässliches Wort. Sie erinnerte sich, dass ihr einmal jemand die Geschichte von menschlichen Füßen in Turnschuhen erzählt hatte, die regelmäßig an den Stränden in der Nähe seines Hauses angespült wurden. Die Polizei hatte eine Weile geglaubt, es mit einem Serienkiller zu tun zu haben, weil das Muster mit den Füßen in Turnschuhen so speziell war. Aber irgendwann kam eine neue Theorie auf: Fische, Haie und die Gezeiten konnten einen menschlichen Körper ordentlich zurichten – doch sie wussten nicht, wie man Schnürsenkel aufband. Die Leichen der Menschen, die sich in Vancouver von der Brücke warfen, wurden nicht mehr an die Ufer gespült. Wohl aber ihre Füße in

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