Die Wuensche meiner Schwestern
da genau das Richtige.«
Sie trat an ein altes, mit Wolle gefülltes Mehlfass, nahm sich ein Knäuel von ganz oben – einen weichen blauschwarzen Strang Wolle – und bürstete den Staub ab. Die Wolle war in all den Jahren ausgebleicht und auf einer Seite schiefergrau geworden. Aubrey hielt sie Ruth hin.
»Muss ich sie stricken?«, fragte Ruth. »Das kann ich nämlich, wissen Sie.«
»Kommen Sie Mittwochmorgen vorbei. Bis dahin sind die Handschuhe fertig. Und natürlich dürfen Sie niemandem etwas davon erzählen, sonst könnte der Zauber aufgehoben werden.«
Ruth nickte, und Aubrey versuchte, ebenso würdevoll und erhaben zu wirken, wie Mariah es getan hatte, wenn sie Aubrey und ihre Schwestern ermahnte, nicht mit den Sachen im Turm zu spielen oder so zu tun, als wäre der Korb für die Wäsche der eines Schlangenbeschwörers. Sie hoffte, dass sie bedrohlich genug aussah.
»Als ob ich das vor irgendjemandem zugeben würde«, erwiderte Ruth.
Was Ruth nicht wusste, was sie nicht wissen konnte, war, dass Mariah die Gefahr, der Zauber würde unwirksam, wenn man darüber sprach, frei erfunden hatte. Keine Öffentlichkeitsarbeit, hatte sie es kommentiert. Wer uns finden soll, wird uns finden. Der Rest ist auf sich allein gestellt.
Meggie äußerte sich vom Türrahmen aus. »Hast du sie auch wegen der anderen Sache gewarnt?«
»Was für eine andere Sache?«
»Du weißt schon, die andere Sache!«
Aubrey blinzelte. Sie war nie gut im Umgang mit Menschen gewesen. Man konnte sie viel zu leicht aus der Fassung bringen. Sie hatte gedacht, sie hätte großartige Arbeit geleistet – bis jetzt, bis ihre Schwester sich eingemischt hatte. »Oh, natürlich. Dazu wollte ich gerade kommen.«
»Wozu?«, fragte Ruth.
Aubrey räusperte sich. »Der Zauber … Es könnte sein, dass er nicht funktioniert.«
»Wofür habe ich Sie denn dann gerade bezahlt?«
»Der Kunde entscheidet selbst, was er opfern möchte – manchmal natürlich mit ein wenig, nun ja, Ermunterung von mir. Aber wenn man den Preis zu niedrig für sich selbst ansetzt …, also … dann geschieht gar nichts.«
Ruth lachte. »Ich hätte also hier hereinmarschieren und Ihnen zehn Dollar anbieten können, und Sie hätten die verfluchten Dinger ebenso gestrickt?«
»Ich habe schon für weniger gestrickt«, gab Aubrey zu und dachte an all die Male, die sie für wertlosen Plunder gestrickt hatte – für einen Plastikschlüsselanhänger, für ein verblichenes Foto –, und wie der Gedanke daran, wie viel Wert in den kleinen Dingen steckte, ihr das Herz gebrochen hatte. Ruth machte ein finsteres Gesicht und verzog den Mund dabei so sehr, dass Aubrey sich fragte, ob sie und ihr böse grinsender Kürbis wohl gemeinsame Vorfahren hatten. »Ich schätze doch, ich erhalte eine Rückerstattung, wenn Todd die Rolle nicht bekommt.«
»Dass Sie sich da mal nicht verschätzen«, meinte Meggie.
Aubrey sah ihre Schwester streng an. »Nein. Tut mir leid. Keine Rückerstattungen. Wenn Sie wüssten, dass SieIhr Geld zurückbekommen, würden Sie kein emotionales Risiko eingehen – und das Risiko ist eine der Voraussetzungen dafür, dass ein Zauber wirkt. Bei Magie geht es darum, Vertrauen zu haben.«
»Ohne Vertrauen gibt’s keine Magie«, warf Meggie ein, wobei Aubrey auffiel, dass Mariah immer genau dasselbe gesagt hatte.
Ruth stieß mit ihrem knotigen Zeigefinger in die Luft. »Ihr Mädchen seid unheimlich. Ihr alle. Es ist ein Wunder, dass man eure gesamte Familie noch nicht aus der Stadt geworfen hat.« Sie zog sich das nun nackte Revers ihres Mantels enger um den Hals, bedachte Aubrey mit einem letzten zornigen Blick und verließ dann den Laden. Die Tür der Strickerei sauste auf und ließ eine Bö süßer Herbstluft herein. Dann war Aubrey mit ihrer Schwester allein. Das Zimmer, das ihr zuvor schon klein vorgekommen war, schien noch weiter zu schrumpfen.
»Du weißt schon, dass sie überall herumerzählen wird, dass du eine Hexe bist?«, fragte Meggie.
»Als hätten das nicht schon längst alle gehört.«
»Na komm.« Meggie lächelte und wies mit der Schulter in Richtung Küche. »Auch Hexen brauchen Frühstück.«
Aubrey wies nicht darauf hin, dass es bereits Zeit zum Mittagessen war. Sie ging einfach mit.
* * *
Auszug aus den Nachrufen in den Tarrytown News :
Mariah Van Ripper aus Tappan Square ist diesen Mittwoch überraschend verstorben. Bekannt als laute Stimme gegen den Entwurf für die Horseman Woods Commons, stand sie der Gruppe Tappan Watch vor, die
Weitere Kostenlose Bücher