Die Wuensche meiner Schwestern
weitem die Jüngste, war Meggie die Anstifterin. Sie wollte, dass der Bäcker ihnen Kekse schenkte. Sie wollte, dass Tommy Matsumoto sie sein Fahrrad benutzen ließ. Sie wollte Heather Noble von ihrem hohen Ross herunterholen und hielt es daher für eine gute Idee, sie mit einem Liebeszauber zu belegen, damit sie sich in Lance »heißes Höschen« Weemly verknallte.
Mit jedem neuen Zauber brachte Meggie ein Opfer. Und es schien ihr jedes Mal ein wenig leichter zu fallen: Sie gab ihren Lieblingsstoffdinosaurier auf, ihr Buch über Giftschlangen, ihre Steinsammlung. Manchmal wurden aus ihren Opfergaben erfolgreiche Zauber; manchmal warensie verschwendet. Doch Misserfolge hatten sie niemals von der Entwicklung neuer Pläne abgehalten, was man mit der Magie der Strickerei noch alles anfangen könnte.
Leider war sie für wirkungsvolle Magie von ihren älteren Schwestern abhängig, sie selbst konnte keine guten Zauber stricken. Allein war sie dazu nicht in der Lage. Aubrey war diejenige, deren Zauber am besten wirkten. Aubrey war die Zuverlässigste. Aber Aubrey war auch die Ernsthafteste von ihnen und hatte die meisten Skrupel – Angsthase nannte Meggie sie –, und es war immer schrecklich mühsam, sie zu überreden, nur zum Spaß einen Zauber zu stricken.
An dieser Stelle kam natürlich Bitty ins Spiel. Bitty war klug und wortgewandt. Sie war hartnäckig, stur und stets eine Stimme der Vernunft, selbst wenn sie für etwas eigentlich Unvernünftiges argumentierte. Sie brachte gern Menschen dazu, das zu tun, was sie wollte. Wenn also Meggie mit einer neuen Idee für einen Zauber ankam, dann machte Bitty sich daran, Aubrey davon zu überzeugen, ihn tatsächlich zu stricken – sei es, um zu testen, ob es möglich wäre, dass sich mit Stricken Magie bewirken ließe, sei es, weil sie nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wusste, als die Bewohner von Tappan Square zu ärgern.
Aubrey versuchte, den Bitten ihrer Schwestern zu widerstehen, gab jedoch am Ende meistens nach. Sie strickte dem alten Mr. Piotrowski ein Paar Armstulpen, woraufhin sie ein ganzes Jahr lang umsonst auf dem King-Kong-Automaten spielten, der hinten in seiner Pizzeria stand. Sie fertigte ein Stirnband aus Spitze für Sue Hormacks Mutter; von diesem Zeitpunkt an waren die Mädchen dort zum Abendessen eingeladen, wann immer sie wollten – was großartig war, denn Mariah war eine schreckliche Köchin, und Sues Mutter machte eine himmlische Hühnerpastete.
Irgendwann bekam Mariah Wind davon. Die drei kassierten im Gegenzug einen ganzen Sommer lang Hausarrest und durften nicht einmal den Vorgarten der Strickerei verlassen. Magie war kein Spielzeug, sie bedeutete Verantwortung, und keine der Schwestern spürte Mariahs Missbilligung und Enttäuschung so stark wie Aubrey. Ihr wurde langsam bewusst, dass sie aufgrund ihrer Verpflichtung der Strickerei gegenüber anders war als ihre Schwestern. Sie konnten nicht weiter gemeinsam voranschreiten wie drei parallele Linien. In jenem Sommer, in dem Mariah ihnen Hausarrest gab, begannen sie, ihre eigenen Wege zu gehen.
Aubrey wurde immer zurückhaltender und unbeholfener; merkte sie doch, dass sie ein Kind der Strickerei war und viele Frauen der Stadt keine allzu netten Sachen über sie munkelten – sie war dieses merkwürdige Van-Ripper-Mädchen mit den Hexenaugen. Meggie wuchs heran und brach mit freundlicher Abgeklärtheit jede Regel, die ihr begegnete. Sie schwänzte den Mathe-Unterricht, rauchte – wenn ihr danach war – mitten im Park Marihuana, ging ganz offen mit Jungen und Mädchen aus und weigerte sich, einen BH zu tragen – zur großen Bestürzung aller Frauen, die an der Seite ihrer Ehemänner das klimatisierte Kino betraten, in dem Meggie arbeitete. Bitty, die als die rebellischste der drei Schwestern galt, schien ebenfalls verdorben: Es war nicht ihre »Leichtlebigkeit« allein, die dem Nervenkostüm der örtlichen Matronen zu schaffen machte – im Grunde erwarteten die Leute schon halb, dass ein, wenn nicht gar alle Van-Ripper-Mädchen bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag schwanger sein würden. Das Verstörende daran war, dass Bittys lockerer Lebenswandel sie zur falschen Sorte Jungs führte: Statt auf die motorradfahrenden Drogendealer oder die Söhne der Klempner und Tischler hatte sie es auf die ruhigen Jungs mit den zarten Händen abgesehen, die oben aufden Hügeln lebten und bald aufs College gehen sollten. Und so fürchteten die alten Damen nichts mehr, als Bittys Namen aus dem Mund
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