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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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Tappan-Square-Aufstand, als der er in die Geschichte des Ortes eingehen sollte, war in Sachen Randale nicht groß der Rede wert. Verglichen mit den antikommunistischen Ausschreitungen im nahegelegenen Peekskill von 1949, war er das Werk halbherziger Amateure. Es gab keine Gummigeschosse, keine Tränengaswolken, nicht einmal ein einziges umgekipptes Auto. Die Polizei konnte den Park mit Leichtigkeit räumen; die meisten Leute gingen freiwillig, da sie nicht an einem Mob beteiligt sein wollten. Danach waren da nur noch die Stille des dunklen Flusses, der an der dicken Stützwand saugte, die das Land davor bewahrte, ins Wasser hinunterzurutschen, und das Funkeln der Lichter wie Sterne am entfernten Ufer.
    Nur der Leuchtturm behauptete noch die Stellung, wie er es seit 1883 unverändert tat. Er hatte den Fluss in manchen Zeiten so mit Dampfschiffen überfüllt gesehen, dass es hieß, man könne von einem Ufer zum anderen laufen, ohne nass zu werden. Er hatte den Gruß des gasgefüllten, dickbauchigen Luftschiffs Hindenburg an die Bewohner von Tarrytown gesehen. Er hatte gesehen, wie das östliche Ufer, einst fast einen Kilometer entfernt, sich ihm immer weiter näherte, als eine Automobilfabrik so viel Müll in den Fluss kippte, dass die mächtige Tappan Zee Bridge ihre Form veränderte – und diese Veränderung hatte ihn ziemlich verärgert. Aber zum Aufstand von Tappan Square hatte er nicht viel zu sagen. Er hegte auch keine besonderen Gefühle für die Van-Ripper-Schwestern, die zurück in den Park geschlichen waren, sobald die Luft rein war, und nun mit Taschenlampen um die Büsche streiften.
    »Ich muss sie hier irgendwo stehengelassen haben«, sagte Aubrey.
    Es war weit nach Mitternacht, und der Strahl ihrer Taschenlampen ließ das Gras hell aufleuchten. Bunte Blätter,Pappteller, Servietten und Strohhalme lagen überall verstreut.
    »Ich kann nichts sehen«, erklärte Bitty.
    »Sie muss hier sein«, erwiderte Aubrey und versuchte, zuversichtlich zu klingen. »Die hätte doch niemand mitgenommen.«
    Meggie kicherte. »Ja, die Leute glauben wahrscheinlich, dass sie verhext ist.«
    »Wir finden sie.« Aubrey kniff ihre Augen in der Dunkelheit zusammen. Der Fluss glitzerte schwarz und silbern im Licht des Mondes. Im Gedränge am Abend – bei all der Hektik und dem erzwungenen Aufbruch aus dem Park – hatte Aubrey Mariah auf der Picknickdecke liegenlassen. Ihr Strickzeug war ebenfalls noch dort, zumindest hoffte sie es.
    »Da ist sie!«, rief Meggie.
    Bitty ermahnte sie, leiser zu sein.
    Aubrey eilte in die Richtung von Meggies Lichtstrahl. »Oh, Gott sei Dank.« Sie stellte die Urne auf und umschloss sie mit den Armen. Sie war dunkelblau mit lila Wirbeln und weißen Sprenkeln, wie Notenzeichen oder Sterne. Mariah war in ihren späteren Jahren recht korpulent geworden, doch jetzt wog sie in Aubreys Armen weniger als ein Baby. »Seht ihr? Es ist alles in Ordnung. Wie ich es euch gesagt habe.«
    Bitty wandte sich zum Gehen. »Toll. Dann lasst uns von hier verschwinden.«
    Aubrey stand auf. Meggie lief los.
    »Hey.« Bitty richtete den hellen Strahl ihrer Taschenlampe zwischen Meggies Schulterblätter. Sie sprach, als würde sie auf einer Theaterbühne flüstern. »Wo gehst du hin?«
    »Die Nacht ist schön. Ich will den Fluss sehen.«
    »Willst du, dass sie dich festnehmen? Die Cops sind überall«, warnte Bitty.
    Meggie rief über die Schulter zurück: »Sei kein Feigling.«
    »Wir können die Kinder nicht so lange allein lassen«, wandte Bitty ein.
    »Denen geht es gut«, erwiderte Meggie und drehte sich um. »Die schauen ihren Film und haben so viel Popcorn, dass es für ein ganzes Land reichen würde.«
    Bitty warf Aubrey einen Blick zu.
    Aubrey zuckte mit Mariah im Arm die Achseln.
    Bitty ließ resigniert die Schultern hängen. »Na, dann schalten wir aber wenigstens die Taschenlampen aus. Ich will meinem Mann nicht erklären müssen, wieso er mich aus dem Gefängnis rausholen soll.«
    Aubrey lachte.
    Gemeinsam folgten sie Meggie bis zum Rand des Wassers, aus dem die Felsengruppen herausragten. Vor ihnen erhob sich der Leuchtturm, dunkel, wo eigentlich ein Licht hätte brennen sollen. Auf der Tappan Zee Bridge reihten sich grüne Lichter auf wie Perlen an einer Kette.
    Meggie schleuderte ihre Sneakers von sich.
    »Hey. Was hast du denn jetzt vor?«, fragte Bitty.
    »Wonach sieht es denn aus?« Meggie krempelte ihre Hosenbeine hoch, setzte sich hin und ließ ihre Füße ins Wasser gleiten. Der Mondschein legte

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