Die Wuensche meiner Schwestern
sich wie Armreifen um ihre Waden. »Nur einen Moment. Es wird uns schon keiner stören.«
Aubrey zog sich ebenfalls Schuhe und Socken aus – was eine gewisse Zeit des Aufschnürens, Herumhüpfens und Herauszerrens in Anspruch nahm – und setzte sich neben ihre Schwester.
Bitty folgte widerstrebend ihrem Beispiel. »Es ist kalt.«
»Eisig«, bestätigte Aubrey.
»Man gewöhnt sich dran«, versicherte Meggie.
Sie saßen schweigend zusammen und doch getrennt. Aubrey biss die Zähne zusammen, um das kalte Wasser zuertragen. Die Knochen ihrer Fußgelenke waren durch und durch kalt, und sie spürte beinahe, wie sich das Mark darin lila und blau verfärbte. Ihre Schwestern waren nun seit zwei Tagen wieder bei ihr, in der Strickerei. Doch abgesehen von der ersten Nacht, als Meggie aufgetaucht war und sie gemeinsam um Mariah geweint hatten, erschien es Aubrey, als wären sie nur in körperlicher Hinsicht beieinander. Bitty beschäftigte sich mit ihren Kindern. Meggie verkroch sich irgendwo. Sie tauschten nur so viele Informationen aus, wie man es mit einer freundlichen Fremden im Bus tun würde. Als sie nun auf den nachtkalten Felsen am Ufer saßen, waren sie das erste Mal zu dritt allein, ohne dass die Wände der Strickerei sie belauschten und ohne Bittys Kinder in unmittelbarer Nähe. Doch im Schein der Nacht blieben ihre Schwestern so undeutlich, dass Aubrey sich frei von ihnen fühlte, obwohl sie direkt neben ihr saßen.
Meggie musste ähnlich empfinden, denn sie brach schließlich das Schweigen: »Ich denke die ganze Zeit, dass Mariah begeistert davon gewesen wäre.«
»Ja, sie mochte den Leuchtturm immer gern«, erwiderte Aubrey.
»Nein – ich meine den Aufstand. Davon wäre sie begeistert gewesen! O Mann! Hätte sie das doch nur sehen können. Für Ärger zu sorgen war schließlich ihr Lebensinhalt.«
»Nein, das war es nicht. Sie wollte dem Ärger vielmehr ein Ende bereiten«, entgegnete Aubrey verletzt.
»Läuft aufs Gleiche hinaus«, gab Meggie zurück.
»Kaum zu glauben, dass die Halperns einfach so aufgekreuzt sind«, mischte Bitty sich ein. »Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht haben.«
»Vielleicht haben sie es gut gemeint«, gab Aubrey zu bedenken. »Vielleicht wollten sie nur ausdrücken, dass sie Mariah trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten respektierten.«
»Ähm, die Botschaft ist aber nicht so richtig angekommen«, widersprach Meggie.
»Nur weil sie reich sind, sind sie nicht unbedingt böse«, erklärte Bitty. »Ich meine – versuch mal, die Sache aus ihrem Blickwinkel zu betrachten. Sie treffen harte Entscheidungen für ein übergeordnetes Wohl.«
»Na schön, na schön«, lenkte Meggie ein.
Bitty drückte die Knie durch und hob die Beine aus dem Fluss. Das Wasser tropfte in silbernen Tröpfchen von ihren Füßen. »Wer war dieser Typ? Der mit dem schönen Gesicht. Kennst du den?«
»Mason Boss«, antwortete Aubrey. »Ich kenne ihn nicht.«
Bitty ließ die Füße zurück in den Fluss sinken. Das Wasser passte sich ihrer Bewegung sanft an. »Versteht mich nicht falsch«, setzte sie an, »aber – wenn man ihre durchgeknallte Idee bedenkt, die Strickerei nicht an Aubrey weiterzugeben, glaubt ihr, dass Tante Mari langsam verrückt wurde?«
»Auf keinen Fall«, protestierte Aubrey.
»Aber sie ist doch langsam durchgedreht«, beharrte Bitty.
»Nein, ist sie nicht«, hielt Aubrey dagegen. »Das mit dem Wahnsinn stimmt einfach nicht.«
Bitty lachte. »Wirklich? Ernsthaft, Aub?«
»Was?«
»Du glaubst daran, dass sich die Zukunft eines Menschen durch ein Vollpatentmuster verändern lässt, aber du glaubst nicht daran, dass Demenz bei uns in der Familie liegt?«
Die Nerven in Aubreys Nacken prickelten. »Mariah muss gewusst haben, was sie tat. Sie hat nicht den Verstand verloren.«
Bitty stützte sich auf den Knien ab. »Ich behaupte ja nicht, dass irgendeine Zaubereisache sie verrückt gemachthat – nicht der Fluch von Helen Van Ripper oder so. Ich sage nur, dass mit ihrem Hirn irgendetwas nicht mehr gestimmt haben könnte.«
»Aber wenigstens hast du dich um sie gekümmert.« Meggie drückte Aubreys Schulter. »Es wäre viel schlimmer gewesen, wenn sie allein gewesen wäre.«
Aubrey wusste, worauf ihre Schwestern hinauswollten, und sie zog die Schulter ganz leicht nach vorn, bis Meggies Hand heruntersank. Aubrey versuchte, sich selbst als alte Frau vorzustellen – mit um die Finger gewickelter Wolle durch die Flure der Strickerei schlurfend, das große, leere Haus um
Weitere Kostenlose Bücher