Die Wuensche meiner Schwestern
Nachbarn, die am Abend zuvor auf Klappstühlen in der Feuerwache gesessen und sich schützend um Tappan Square geschart hatten.
Aubrey schrie in ihr Kissen.
Sie hatte sich gewünscht, diesen Tag mit ihren Schwestern zu zelebrieren, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was sie abends anziehen sollte und wohin Vic sie wohl ausführen würde – sich der albernen Leichtigkeit in all ihrer Vielfalt hinzugeben. Stattdessen stand die Strickerei zwischen ihnen: eine Wand, eine Schlucht, ein Berg. Bis das Problem der Strickerei, von ganz Tappan Square nicht auf die ein oder andere Weise gelöst war, würde es keine Frauengespräche geben, keine Vertraulichkeiten, die unter Gelächter und verschwörerischem Lächeln ausgetauscht wurden. Es gab nur das Haus. Und die Nachbarschaft. Und diese Fragen, die bis weit in die Zukunft reichten und sie auf das Unausweichliche zuführten, auf eine Veränderung, die nicht willkommen oder eigentlich gar keine Veränderung war.
* * *
Wenn Bitty einen klaren Kopf brauchte, ging sie joggen. Sie stellte sich gern vor, dass ihre Füße Fäuste waren, die auf die Straße einhämmerten. Nun joggte sie hinaus aus Tappan Square, bis zum Patriot Park und quer hindurch, dann immer weiter und weiter nach oben, bis sie auf die Dachschindeln der historischen Gebäude in der Grove Street hinabblickte und auf dem kurvigen braunen Bergrücken des Stausees entlanglief. Sie lief so lange, bis sie einmal im Kreis herum war und der Hudson nicht mehr hinter ihr lag, sondern sich als riesiges Panorama vor ihr ausbreitete, blaugrau wie schimmernde Fischschuppen gegen das triumphale Orange und Rot des Herbstes.
Sie blieb stehen, atmete tief ein und schloss die Augen. Und mit gesenkten Lidern sah sie plötzlich alles, das ganze Theater ihrer Jugend: die schmale Stelle des Teiches, auf dem sie Schlittschuhlaufen gelernt hatte, die Boutique, in deren Schaufenster das rote Kleid hing, das sie toll fand, sich aber nicht leisten konnte – Gott, sie konnte sich an jeden einzelnen Nadelstich erinnern –, die Straßenecke, an der sie Rod Doherty geschlagen hatte, weil er sich über Aubreys blaue Augen lustig gemacht hatte, an all das erinnerte sie sich so deutlich; es war egal, wie viel Zeit vergangen war und wie sehr sie sich in dieser Zeit verändert hatte.
Sie hatte Craig mit achtzehn kennengelernt. Er war älter als sie, studierte Maschinenbau an der Cornell University und machte so erwachsene Dinge, wie einer Studentenverbindung beizutreten oder dem Zimmermädchen, das in seinem Wohnheim putzte, Trinkgeld zu geben. Bitty hatte sich bei einer exklusiven Verbindungsparty eingeschlichen und war dort auf ihren zukünftigen Ehemann getroffen, als dieser sich gerade vor einer mit Eis und silbernen Bierdosen gefüllten Kühlbox aufbaute.
Kriege ich auch eins?, hatte sie ihn gefragt.
Sie hatte ihn jedoch nicht sofort an der Angel. Dazu bedurfte es einiger Planung; sie musste mit ihm spielen und ihn necken, bevor er sich ernsthaft für sie interessierte. Sie hatte ihn gewollt, weil er gut aussah, weil alle ihn haben wollten, weil er jemand war, den man ihr nicht zutraute. Sie wollte ihn, weil Geld ihm wichtig war und sie verdammt noch mal genug davon hatte, arm zu sein. Sie wollte ihn, weil er der Typ Mann war, der seine Zukunft anscheinend sicher kontrollierte – und nichts weniger als das akzeptierte, was er sich vorgenommen hatte. Sie wollte ihn, weil er praktisch Atheist war. Er ging natürlich in die Kirche, wenn seine Mutter ihn an Ostern und Weihnachten dazu zwang. Aber er glaubte an nichts, was sich nicht messen ließ – nichts außer Wissenschaft, Mathematik und seine eigene unvermeidliche Überlegenheit.
Nach seinem Collegeabschluss brauchte Craig über ein Jahr, um einen Job zu finden. Als es so weit war, packte Bitty ihre Sachen – einen Zugbeutel, den Mariah ihr gestrickt hatte, ein Foto ihrer Schwestern, den Teddybären, den sie seit der zweiten Klasse besaß – und floh wie eine Vertriebene mit Craig in ein Apartment in Verplank, ohne den Segen ihrer oder seiner Familie. Craig hatte eine Stelle bei einem Kraftwerk angenommen, bis er etwas Besseres fand, obwohl ihnen damals schon hätte klar sein sollen, dass er nie wieder von dort fortgehen würde. Bitty hatte zwei Jobs gleichzeitig: in einem Deli und in einem Dessous-Outlet. Sie meldete sich für College-Seminare an. Sie wollte Craig zeigen, dass sie ihn verdient hatte. Sie war wild entschlossen, sich an den eigenen Haaren hochzuziehen – was
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