Die Wuensche meiner Schwestern
Last von den Schultern genommen wurde.
Zwei Monate später setzten die Mädchen ihren Namen auf eine Beileidskarte. Mr. Elazar kam nie wieder in die Strickerei.
Es war das erste Mal gewesen, dass in Aubrey ernsthafte und grundsätzliche Zweifel wach geworden waren, doch sie hatte es nicht gewagt, sich mit ihren quälenden Fragen ihren Schwestern zu offenbaren. Was, wenn es gar keine Magie gab und sie sich selbst und ganz Tarrytown etwas vormachten? Was, wenn die Van Rippers tatsächlich die Betrügerinnen waren, für die man sie hielt – Betrügerinnen, die so gut in ihrem Spiel geworden waren, dass sie sogar sich selbst hinters Licht führten? Diese Sorge war mehr als ein unangenehmes Ziehen in Aubreys Magen, sie war eine Falltür, durch die man, einmal geöffnet, ins Unbekannte fiel. Denn wenn es die Magie wirklich gab, dann hätte sie für Mr. Elazar wirken müssen, für ihn, der sogar sein Leben für seine Tochter gegeben hätte, wenn Mariah ihn gelassen hätte. Aubrey konnte weder sich selbst noch jemand anderem erklären, weshalb der Zauber versagt hatte. Und auch Mariah schien keine Antworten zu haben. Sie hatte nur den Arm um Aubrey gelegt und sie bedauernd angesehen: Manchmal geht es gar nicht um die Antworten. Manchmal geht es um die Fragen – die Fragen sind die Antworten. Doch ihr Rat hatte nicht geholfen. Aubreys Vertrauen in die Strickerei war erschüttert worden.
Bittys wurde in tausend Stücke geschlagen.
»Aber genauso hast du miterlebt, wie die Magie gewirkt hat«, gab Meggie zu bedenken. »Erinnerst du dich? Du hast es mit eigenen Augen gesehen.«
Bitty bürstete sich das Haar, ohne sich umzudrehen. Also zählte Meggie all jene Geschichten auf, an die sie sich erinnern konnte: Zum Beispiel hatten die Mädchen mitbekommen, wie Elle Greenfeder einen Leuchter im Austausch gegen eine Mütze geboten hatte, die ihrem Sohn mit ADHS helfen sollte, woraufhin dieser zum Klassenbestenaufstieg. Sie hatten gesehen, wie eine junge Frau eine signierte Erstauflage eines alten Romans geopfert hatte und eine Woche darauf wieder in der Strickerei aufgetaucht war, um freudig zu verkünden, dass ihr Bruder sich bereit erklärt hatte, nach Tarrytown zurückzukehren. Sie waren Zeugen gewesen, wie Teddy Carpenters Familie ihren geerbten Schmuck aufgegeben hatte, woraufhin die Ärzte erstaunt feststellten, dass der Knoten, den sie in ihrem Brustgewebe entdeckt hatten, plötzlich wie durch ein Wunder verschwunden war.
»Es muss also etwas dran sein«, beharrte Meggie. »Auch wenn wir es nicht vollständig kontrollieren können – und auch wenn wir es nicht richtig verstehen.«
Aber Bitty blieb stur. »Was ich gesehen habe, war reine Suggestion. Der Placeboeffekt. Was hier geschieht, ist keine Magie. Die Leute reden sich bloß etwas ein, deshalb kommen die Dinge in Gang, und dann sagen alle: ›Oh, das ist Zauberei!‹ Dabei haben sie einfach nur ihre Meinung geändert.«
Aubrey schwieg. Was konnte sie sagen, um die Strickerei gegen Bittys Anschuldigungen zu verteidigen? Es gab keine rationalen Antworten – keine Beweise. Nur ein großes Vielleicht. Und das allein war Aubrey stets genug gewesen, um ihre Zweifel hinter sich zu lassen. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sagte: »Egal, was du von der Magie halten magst, Nessa hat das Recht, sich selbst eine Meinung zu bilden.«
»Da stimme ich zu«, meinte Meggie und richtete sich leicht auf dem Bett auf.
Aubrey presste einen Fingernagel in ihren Daumen.
Bitty legte die Bürste auf ihrem Zinntablett ab. Das goldene Herz an ihrer Halskette hob und senkte sich bei jedem Atemzug auf ihrer Brust. Als sie die Stimme erhob, sah sie nicht in den Spiegel, sondern hielt den Blick gesenkt. Sie sagte bloß: »Okay.«
»Okay?«, fragte Aubrey.
»Wow.« Meggie setzte sich auf. »Was ist denn hier gerade passiert?«
Bitty blickte auf. »Ich werde mit Nessa reden. Ich erzähle ihr von der Theorie der Magie. Ihr habt recht; sie ist alt genug, um es zu erfahren und ihre eigene Entscheidung zu treffen. Und ich vertraue fest darauf, dass sie die richtige Entscheidung treffen wird.«
»Das ist großartig«, meinte Aubrey, voller Freude darüber, zum ersten Mal in ihrem Leben eine Auseinandersetzung mit ihrer Schwester gewonnen zu haben. Manche Dinge ändern sich vielleicht doch, dachte sie.
»Ich bin mir ganz sicher, dass sie keine Hüterin ist«, fügte Bitty hinzu.
»Das hat auch niemand behauptet«, erwiderte Meggie. Bitty schien die Luft anzuhalten und ließ sie dann in
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