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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Adrian Wolf kooperierte, und auch seine Laune schien etwas bes ser als zuvor. Doch seine distanzierte Haltung zu allem, was seine Mutter persönlich betraf, rumorte weiter in ihrem Magen wie ein aufgewärmtes Pilzgericht. Irgendetwas stimmte hier nicht. Seine Ablehnung ging weit über das hinaus, was als normal betrachtet werden konnte. Und sie hatte schon viele Trauerverweigerer erlebt.
    Vorsichtig wagte sie einen weiteren Vorstoß. »Wenn du deine Mutter sehen willst, musst du es nur sagen. Ich könnte sie vorbereiten und ins Abschiedszimmer…«
    »Du gibst nie auf, was? Ich will nicht. Weder das Zimmer noch Elisabeth will ich sehen.«
    »Aber vielleicht würde es dir guttun.«
    »Wieso?«
    »Um dich zu verabschieden. Du könntest ihr noch ein paar letzte Worte sagen.«
    »Einer Leiche?«
    Sie stutzte. War seine Mutter wirklich nicht mehr für ihn als eine Leiche?
    »Es ist meine Aufgabe, sie anders aussehen zu lassen. Lebendig und normal. So, wie man sie kannte. Es nimmt einem die Angst, wenn sie friedlich aussehen, schlafend und entspannt.«
    »Sie war nie friedlich und entspannt.«
    Seine Hände krampften sich ineinander, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Die mühsam beherrschte Aggression in seinen Worten verunsicherte Henry und sie unterdrückte den Wunsch, ihn tröstend zu berühren.
    Etwas in ihr wollte unbedingt die Mauer um diesen Mann durchdringen und etwas warnte sie davor, auch nur den kleinsten Schritt auf ihn zuzugehen.

* * *

    Nachdem Adrian Wolf das Gespräch ziemlich abrupt beendet hatte, mit dem Versprechen, sich um verschiedene Unterlagen zu kümmern, die Henry für ihre Arbeit brauchte, gab es für sie nichts mehr zu tun. In der Kühlkammer warteten drei Kunden auf ihren letzten Weg. Frau von Bragelsdorf hatte noch Zeit, und die ande ren beiden waren fertig vorbereitet für ihre Beerdigung am Donnerstag. Eigentlich brauchte Henry morgen gar nicht zu kommen. Sie nahm die Jacke und ihren Rucksack und stieg die Treppe hinauf.
    »Bin weg!«, rief sie wie jeden Abend in Richtung Büro.
    Statt einer Antwort hörte sie das unterdrückte Schluchzen einer Frau. Alle Lichter im Ausstellungsraum waren gelöscht. Also konnte sie ausschließen, dass sich noch jemand zum Gespräch bei Eberhard Moosbacher befand.
    »Anneliese?« Sie betrat das Zimmer und sah Frau Moosbacher am Schreibtisch sitzen, den Kopf in die Hände gestützt. Vor ihr ausgebreitet ein Haufen Papiere, obenauf ein Stapel Kontoauszüge. »Was ist denn, Chefin?«
    »Ich weiß nicht, Kind«, murmelte Anneliese Moosbacher und presste ein zerknülltes Taschentuch gegen die feuchten Augen, »ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll.« Aus den Unterlagen fischte sie ein Schreiben der Bank. »Eberhard hat mir nicht gesagt, dass es so schlimm ist. Wenn nicht ein Wunder geschieht, verlieren wir alles.«
    Henry ignorierte das Blatt, das sie ihr hinhielt. So genau wollte sie es lieber nicht wissen, auch wenn ihr Job davon abhing. Die Fi nanzen gingen sie nichts an. Sie setzte sich auf die Schreibtischkante. »Wo ist er denn?«
    »Bei der Bank, vermute ich, um mehr Zeit auszuhandeln. Er hat nur gesagt, er müsse noch mal weg, dringend und geschäftlich, und von einer letzten Chance hat er gesprochen.«
    Fahrig huschte die steife, verkrümmte Hand mit den geschienten Fingern durch die grauen Haare.
    »Tut es sehr weh?«
    Anneliese schüttelte den Kopf. »Nicht mehr als sonst, Henriettchen. Die Schübe kommen und gehen mit dem Wetter. Nur dauern sie mit jedem Mal ein bisschen länger an.«
    Und jedes Mal bleibt ein bisschen mehr zurück, ergänzte Henry in Gedanken. Die Finger, die sich nicht mehr strecken ließen, der Rücken, der sich nicht mehr ganz aufrichten wollte, die Beine, die Füße. Schon vor fünfzehn Jahren, als sie Anneliese zum ersten Mal gesehen hatte, konnte diese ihre rechte Hand nur noch an guten Tagen gebrauchen. Es schmerzte Henry, dem Verfall zusehen zu müssen.
    »Wenn ich doch bloß noch zu was taugen würde! Hilfloser Krüppel, zu nichts nütze. Wenn doch der Jürgen da wäre! Dann wäre alles besser, der Jürgen hat immer Rat gewusst. Und der Jürgen hat mich immer zum Lachen gebracht. Er ist so positiv, ein sonniges Gemüt.«
    Schlagartig verflüchtigte sich Henrys Mitleid. »Anneliese, lass es. Er wird kein guter Mensch, nur weil du es immer wiederholst. Euer Jürgen ist schuld an dem ganzen Desaster hier und hat sich wie immer aus dem Staub gemacht. Hör auf, dir was vorzumachen!«
    Die alte Dame brach

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