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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Schluck, konnte den Blick nicht vom Hals des Toten lösen, in dem jetzt zwei Schläuche steckten. Durch den einen wur de die rosa Flüssigkeit in den Körper gepumpt, durch den an deren bewegte sich eine rötlich-braune Masse in entgegengesetzter Richtung. Sein Magen reklamierte den Anblick als unzumutbar.
    »Eigentlich«, er lehnte sich an den Türrahmen und hielt sich am Glas fest, »suche ich keinen Aushilfsjob.«
    »Festanstellung ist keine geplant. Das geben die Finanzen momentan nicht her.«
    »Nein. Darum geht es nicht.«
    Es fiel ihm schwer, die Worte auszusprechen. Der Gedanke war noch nicht endgültig in seinem Kopf angekommen. Wahrscheinlich verspürte er gerade darum schon wieder den aberwitzigen Drang zu lachen.
    »Es ist nur wegen Elisabeth. Sie braucht eine Beerdigung, weil – na ja – sie ist tot.«
    Die Pumpe tat ungerührt, was sie zu tun hatte, sie pumpte, und die Schläuche gaben unappetitliche Schmatzgeräusche von sich.
    »Ist nicht dein Ernst!«
    In Henriettes Stimme mischte sich ein schriller Unterton, und Adrian grinste verlegen.
    »Wirklich lustig ist es jedenfalls auch nicht.«
    Hektisch wischte Henriette sich die Haare aus der Stirn und startete einen Erklärungsversuch: »Mann, das tut mir so leid! Nie mand kommt hier runter, normalerweise. Aber heute … Ich wusste nicht …«
    »Schon gut.«
    »Nein, ist es nicht! Es sollte sich eine Aushilfe bei mir melden, um elf Uhr, und darum dachte ich, dass du das bist, also Sie … Ich hatte keine Ahnung, dass jemand zum Trauergespräch angemeldet ist – und Sie haben gesagt, Sie wollten zu mir.«
    Adrian war gar nicht auf die Idee gekommen, vorher anzurufen und einen Termin zu machen. Man hatte ihn im Dienst über Elisabeths Tod informiert, und er war direkt vom Polizeipräsidium aus ins Krankenhaus gefahren. Nachdem er dort die notwendigen Formalitäten hinter sich gebracht hatte, wollte er auch die nächsten Schritte umgehend in die Wege leiten und erst dann nach Hause fahren. Unter seinem Arm klemmte immer noch seine Sporttasche, in die eine Schwester Elisabeths Habseligkeiten eingepackt hatte.
    »Es tut mir wirklich sehr leid, das war ein blödes Missverständnis, und natürlich tut es mir auch leid, dass Sie einen lieben Menschen verloren haben.«
    Einen lieben Menschen. Er unterdrückte den Impuls zu widersprechen. »Sie konnten das nicht wissen.«
    Ihre erschreckten Augen ließen sie weniger abgebrüht erscheinen, als der erste Eindruck es ihm vermittelt hatte.
    »Trotzdem. Ich bringe Sie nach oben. Herr Moosbacher wird sich gleich um Sie kümmern. Sie werden sehen, mit seiner Hilfe und Erfahrung …«
    »Ich will aber lieber mit Ihnen reden«, unterbrach er sie.
    »Das ist eigentlich nicht meine Aufgabe. Herr Moosbacher kann das viel besser.«
    »Eigentlich? Aber Sie können es auch?«
    Erstaunlicherweise wirkte die Frau beruhigend auf ihn. Viel leicht, weil sie für einen Moment so fassungslos ausgesehen hatte, wie er selbst es eigentlich hätte sein sollen.
    »Ja, ich kann das auch«, gab sie widerwillig zu.
    »Dann bleibe ich hier.«
    Henriette schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage! Ich meine, dass wir hier unten reden, kommt nicht in Frage. Lassen Sie uns nach oben gehen.« Gegen seinen Willen drängte sie ihn aus dem Raum. Er trottete vor ihr die Treppe hinauf, registrierte kaum, dass sie weiter mit ihm sprach und antwortete mechanisch.
    Während sie schnell und leise auf den Mann hinter dem Schreibtisch einredete, blieb Adrian mitten im Zimmer stehen und starrte auf die Tasche in seiner Hand. Seine Tasche mit Elisabeths Sachen. Ihm wurde übel, obwohl er hier oben den Formalingeruch nicht mehr wahrnehmen konnte.

* * *

    Der Schreck machte Eberhard Moosbacher sprachlos. Wie hatte er nur so gedankenlos sein können, einen Hinterbliebenen zu Henry in den Keller zu schicken? Selbst das verstörende Telefonat ließ er vor sich selbst nicht als Entschuldigung gelten. Sie konnten es sich nicht leisten auch nur einen einzigen Auftrag zu verlieren. Nun kam es ihm gelegen, dass Henry das Trauergespräch übernehmen wollte. Er brauchte Zeit, seine Gedanken zu sortieren und wieder zu Atem zu kommen. Man hatte ihn bedroht, mit körperlicher Gewalt. Der Anrufer verwendete Wörter wie Schuld und Ehre, Verantwortung, Sühne und immer wieder Familie. Nicht alles konnte Eberhard Moosbacher verstehen, nicht einmal den Akzent des Mannes einem Land zuordnen. Der freundliche Tonfall vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der Hinweis

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