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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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den Versorgungsraum umzubauen. Alles vom Feinsten, auf dem allerneusten Stand.«
    Sie zitterte und betrachtete Jürgens nackten Leib, sichtlich nicht in der Lage zu entscheiden, welcher Schritt als nächster folgen sollte. Fahrig griff sie nach dem Skalpell, holte zwei kleine Plas tikpfropfen aus einer Schachtel, und hielt Adrian einen davon dicht vor die Augen.
    »Wusstest du, dass das menschliche Gewebe eine Tendenz zum Linksgewinde hat? Man kann diese Dinger hier einfach reindrehen. Wie eine Schraube.«
    »Kein Blutaustausch, Henry.« Adrian nahm ihr Pfropfen und Skalpell ab. »Nur waschen, okay? Sag mir, wenn ich dir helfen kann und erzähl mir, wie es weiterging.«
    Sie zog die Augenbrauen zusammen und konzentrierte sich. »Das Geld von der Bank war schnell aufgebraucht für die ersten Erweiterungen. Aber Jürgen wollte trotzdem alles. Sofort. Am liebsten drei, vier fest angestellte Mitarbeiter, neue Fahrzeuge, um Auslandsüberführungen in Eigenregie machen zu können. Eine erweiterte Produktauswahl, Designersärge. Dazu braucht man natürlich neue Räume. Er vergrub sich im Büro, engagierte einen Architekten. Erzählt hat er uns nichts davon. Das kam alles erst nach und nach heraus.«
    »Und die Finanzierung?«
    Henry lachte spöttisch. Sie stand neben dem Versorgungstisch und betrachtete die Blutergüsse auf Jürgens Brustkorb.
    »Oh ja, die Finanzierung! Ich versteh nicht viel von Geldangelegenheiten, aber Jürgen war ein Genie. Er traf Svetlana, eine Russin und alle Probleme waren gelöst!«
    »Svetlana? Ist ja wie in einem schlechten Film.«
    »Stimmt. Aber du hast keine Ahnung, wie schlecht der Film wirklich war. Sie erzählte ihm von ihrem reichen Vater und dass sie ihm Geld beschaffen könnte, um seine Pläne umzusetzen. Hier hat Moosbacher Junior seinen Hang zur Wundergläubigkeit bewiesen. Und direkt anschließend sein untrügliches Geschick, mit zwei Händen in die Scheiße zu packen. Als er alles bestellt hatte, sprang ganz plötzlich, tataaa, Überraschung, das gute Väterchen ab. Jürgen konnte natürlich weder einfach so von allen Verträgen zurücktreten, noch die bestellte Ware auf dem freien Markt auch nur annähernd zum Einkaufspreis wieder loswerden. Die Banken hatten ihm vorher keinen weiteren Kredit gewährt und sahen na türlich auch jetzt keine Veranlassung, das zu tun. Die gute Svetlana wusste aber wieder Rat. Bald war ein großherziger Geschäftsmann gefunden, der finanziell aushalf. Nicht aus der Bestattungsbranche. Fischereigewerbe: Angeln und Ausnehmen von in Zwangslagen geratenen Vollidioten.«
    »Banal ausgedrückt ein Kredithai also.«
    »Zu banal für dieses perfekt eingefädelte Spiel.«
    Beiläufig drehte sie den Wasserhahn auf, hielt die Hand in den Strahl und regulierte die Temperatur auf eine angenehme Wärme.
    »War das Westermann?«
    »Ich weiß es nicht. Kann sein. Aber eigentlich glaube ich das nicht, der wäre sicher früher hier aufgetaucht. Wahrscheinlich hat er Jürgens Schulden erst später aufgekauft. Ist jetzt alles nicht mehr wichtig.«
    Sie drehte das Wasser wieder ab, ohne mit der Waschung zu beginnen.
    »Die Herren gaben sich jovial, großzügig. Keine Eile mit der Rückzahlung. Svetlanas Wort galt ihnen als Pfand. Und der Schwachkopf hat das geglaubt und die Aufmerksamkeit der weißblonden Schönen genossen und die der Männer mit den dic ken Portemonnaies, die bei Geschäftsabschluss gern mal den C hampagner kübelweise orderten, kleine bunte Pillchen und weiße Pulverlinien gratis zur Verfügung stellten. Das hat ihm ge fallen. Verdammt gut sogar. Einen Teil der bestellten Ware musste Jürgen sofort bezahlen. Doch das meiste lief über Rechnung, mit Zahlungsziel, und den Kredit bekam er bar auf die Hand.« Sie schnaubte verächtlich.
    »Eine Frau aus dem russischen Geldadel hat Ansprüche, also war ein Teil des vorgelegten Geldes ganz schnell wieder weg, für alles Mögliche. Und er selbst konnte sich auch schnell daran gewöhnen, die Taschen voller Scheinchen zu haben. Svetlana, sein Glücksbringer, begleitete ihn in die Spielbank, schleppte ihn auf die Rennbahn, dann in private Clubs, und er gewann ein paar Mal. Er war schon immer ein Zocker, aber erst noch im kleineren Rahmen. Kein Kartenspiel, kein Automat in einer Kneipe, an dem er vorbei konnte. Aber jetzt wurde es richtig bitter. Die Kombination mit den netten Pillen haute ihn aus der Bahn. Er verlor völlig die Kontrolle. Die nächsten Rechnungen trudelten ein und damit die nächsten Probleme. Er

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