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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Unterschrift? Wie leicht ließ sich ein solches Dokument fälschen?
    Als nächstes startete er den Computer, der auf dem Sechziger-Jahre-Schreibtisch wie ein gestrandetes Ufo wirkte. Der Zugang war nicht einmal durch ein Passwort gesichert, und auf einen Klick entfalteten sich alle vorhandenen Dateien. Viele waren es nicht. Schnell wurde Adrian klar, dass er auch hier nicht auf brisante Informationen hoffen konnte. Leise fluchend rieb er sich den Nacken. Das lief ja ausgezeichnet.
    Ernüchtert nahm er sich den Schreibtisch vor. Drei der Schubladen – alles Nullnummern, wie erwartet – offenbarten sich ihm willig. Die vierte folgte mit gequältem Knirschen, als er ein Holzlineal als Hebel missbrauchte. Mit grimmigem Lächeln sichtete er den Inhalt und nahm dann eine handschriftliche Liste an sich. Es brauchte etwa eine Minute, bis der Kopierer endlich startbereit war und leise surrend ein warmes Blatt Papier auswarf. Die Originalliste legte er zurück an ihren Platz und atmete langsam durch.
    Der Polizist hatte endlich seinen Beweis. Aber der Freund fühlte sich wie ein Verräter.

* * *

    Westermann hatte sich den ganzen Tag nicht gemeldet. Das verunsicherte Henry. Die Medien brachten nichts Neues über die Wasserleiche, aber sie fürchtete, dass der Schwindel früher oder später auffliegen würde. Spätestens dann erwartete sie, ihn wieder zu sehen. Oder Lolek und Bolek.
    Loyalität, Frau Körner! Sie hatte tatsächlich kurz geglaubt, Westermann einfach hochgehen lassen zu können, wenn Jürgens Leben nicht mehr auf dem Spiel stand. Jetzt zweifelte sie wie der. Was war mit Eberhard und Anneliese? Mit ihr selbst? Mit Adrian?
    Seit seinem Besuch war sie nicht mehr in der Lage, zu arbeiten oder eine Entscheidung zu treffen. Sie hätte einen Rat gebraucht, seinen Rat, aber ausgerechnet ihn konnte sie jetzt nicht mehr fragen. Er war alles andere als unparteiisch.
    Resigniert packte sie ihre Sachen zusammen. Eine kleine Vorsichtsmaßnahme konnte sie noch treffen, das war alles. Sie tippte eine Nummer in ihr Handy und kurz darauf hörte sie Klaus’ Stimme am anderen Ende.
    »He, roter Engel! Alles in Ordnung?«
    Nein, überhaupt nichts war in Ordnung. Sie ging nicht darauf ein. Er musste die Zusammenhänge nicht kennen. »Ich habe eine Bitte, Klaus. Aber sei lieb und stell keine Fragen.«
    »Okay.«
    »Wenn ich in der nächsten Woche nicht täglich bis mittags um zwölf bei dir angerufen habe, dann melde mich bei der Polizei als vermisst. Und dann gib ihnen die Aufzeichnungen, du weißt schon, alles seit Freitag.«
    »Schatz, was …«
    »Nicht fragen! Einfach machen. Und bitte, kümmere dich um Mephisto, wenn …«, sie schloss kurz die Augen, »wenn es nötig sein sollte.«

    Die Angst begleitete Henry bis nach Hause. Doch sie konnte nie manden entdecken, der sie beobachtete oder verfolgte. Ihr Handy blieb stumm. Im Halbdunkel des Hausflurs spürte sie sofort, dass sie nicht allein war. Zögernd setzte sie den ersten Fuß auf die Treppe, lauschte. Irgendwo schlug ein Fenster. Ömers Kinder lachten hinter der Tür. Aber da war jemand. Erst vom Absatz zwischen dem ersten und zweiten Stock konnte sie ihn sehen.
    Adrian. Er saß auf der Treppe vor ihrer Wohnungstür und blieb dort sitzen, wartete still, bis sie direkt vor ihm stand. Westermann verschwand aus ihrem Kopf. Die feinen Härchen auf ihren Armen richteten sich auf, ihr Nacken kribbelte. Er sollte nicht hier sein. Weder jetzt, noch irgendwann. Niemals.
    Langsam ging sie auf der ausgetretenen Holzstufe zwischen seinen Füßen in die Hocke und betrachtete sein Gesicht. Immer noch verschlossen, voller Rätsel und unterdrückter Empfindungen. Unter den Haaren zwischen den beginnenden Geheimratsecken versteckte sich eine Narbe, die ihr bisher nie aufgefallen war.
    »Was ist da passiert?« Sie befühlte die weiße Wölbung. Mindestens sieben Zentimeter.
    »Nichts.«
    »Ganz schön groß, dafür dass nichts passiert ist.«
    Ihre Hand auf seiner Haut wirkte wie ein Katalysator, Bilder blitzten auf, von einem Wagen, der ihn frontal erwischte, nahezu ungebremst. Sein Kopf knallte gegen die Windschutzscheibe, der Gurt riss ihn rückwärts in den Sitz. Dann lag das fremde Mädchen auf seiner Motorhaube.
    Er zog Henrys Hand beiseite. »Ich habe überlebt.«
    Henry nickte stumm. Er sollte nicht hier sein. Aber er war hier. Das Leben war zu kurz, um weitere Fragen zu stellen.
    Als Henry sich erhob und die Tür öffnete, folgte Adrian ihr in die Wohnung und ging dann voraus in

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