Die Würfel Gottes
Haufen mit Pappkartons und unordentlichen Kleidungsstücken breit.
Ohne ein Wort zu sagen, nahm Calebs Vater seine John-Deere-Kappe
ab und ging zum Küchentisch. Er schaltete die Kochplatte ein und öffnete eine Dose Eintopf. In der Zwischenzeit rannte der Junge in den hinteren Bereich des Raums und begann mit seinem Hund Tauziehen zu spielen. Caleb zerzauste die schwarzen Haare seines Sohnes, die aussahen, als wären sie seit geraumer Zeit nicht gewaschen worden. »Joshua ist ein ganz besonderes Geschenk vom Herrgott für mich«, sagte er. »Das Jugendamt vom Mingo County versucht, ihn mir wegzunehmen, seit seine Ma gestorben ist. Deshalb hab ich das Haus hier mitten im Wald gebaut. Wir sind gute zwei Meilen von der nächsten Straße entfernt. So weit weg, dass uns der Sheriff normalerweise in Ruhe lässt.«
Monique warf David einen Blick zu. Sie dachte wahrscheinlich genau das Gleiche wie er: Es war ein irrer Zufall, dass sie diesen Typ hier gefunden hatten. In diesem Teil von West Virginia war es andererseits vielleicht doch nicht so unwahrscheinlich, dass eine Gruppe von Flüchtigen einer anderen über den Weg lief. Jeder, der in dieser gottverlassenen Gegend wohnte, musste vor irgendwem oder -was auf der Flucht sein.
Caleb ging auf Michael zu und versuchte, die Aufmerksamkeit des Teenagers zu gewinnen. »Du bist auch ein Geschenk vom Herrgott«, sagte er. »Genau wie es in der Bibel steht, im Markusevangelium, Kapitel zehn: ›Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht: denn solcher ist das Himmelreich.‹«
Michael ignorierte ihn und betätigte mit den Daumen die Tasten des Gameboy. Nach einer Weile wandte sich Caleb dem Haufen alter Kleidungsstücke zu, die wahllos über die Pappkartons drapiert worden waren. Er wählte ein T-Shirt aus und reichte es David. »Hier, ziehen Sie das an«, sagte er. »Ihr seid herzlich eingeladen, die Nacht bei uns zu verbringen.«
David warf einen Blick auf die graue Decke, die auf dem Boden ausgebreitet war. Er war so müde, dass er mit Freuden auf dem Ding geschlafen hätte, egal wie ungemütlich das war, aber er machte sich immer noch Sorgen wegen der Hubschrauber, die er auf der anderen Seite des Bergrückens gesehen hatte. »Vielen Dank für das Angebot, Caleb, aber ich glaube, wir sollten uns besser auf den Weg machen.«
»Wo wollt ihr denn hin, Bruder? Wenn ihr mir die Frage erlaubt.«
»Nach Columbus, Georgia.« David zeigte auf Monique. »Meine Frau hat dort unten Verwandte. Die können uns weiterhelfen.«
»Wie wollt ihr dort hinkommen?«
»Wir haben unseren Wagen stehen lassen, als die Cops uns zu jagen anfingen. Aber wir werden schon irgendwie nach Columbus kommen. Wenn es sein muss, gehen wir zu Fuß.«
Caleb schüttelte den Kopf. »Das müsst ihr nicht. Ich glaube, ich kann euch helfen. In unserer Kirche gibt es einen Mann namens Graddick. Der sollte morgen nach Florida fahren. Vielleicht kann er euch unterwegs absetzen.«
»Wohnt er in der Nähe?«
»Nein, aber er wird gegen Mitternacht hier vorbeikommen, um die Schlangen abzuholen. Ich bin sicher, er nimmt euch mit.«
»Schlangen?« David dachte, er hätte sich verhört.
»Ich hab letzte Woche ein paar Wald-Klapperschlangen auf dem Bergkamm gefangen, und Graddick wird sie zu einer Holiness-Kirche in Tallahassee bringen. Das ist eine Kirche, in der sie mit Schlangen umgehen, genau wie unsere in Rockridge.« Caleb öffnete einen der Pappkartons und holte eine Zedernholzkiste von der Größe einer Schreibtischschublade heraus. Die Kiste hatte einen Deckel aus Plexiglas mit kleinen kreisförmigen Löchern. »Wir versuchen, unseren Brüdern
in Florida zu helfen, versteht ihr, aber es ist nicht ganz legal. Deshalb transportieren wir die Schlangen nachts.«
David schaute durch das Plexiglas. Eine rostfarbene Schlange, die ungefähr so dick war wie der Unterarm eines Menschen, lag zusammengerollt in der Kiste. Sie schüttelte ihr Schwanzende, und das Geräusch war ein scharfes, verärgertes »Schhhhhh!«.
Caleb stellte die Kiste auf den Boden und holte noch eine aus dem Pappkarton. »Steht in der Bibel, dass wir das tun sollen. Markusevangelium, Kapitel sechzehn. ›Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, sie werden in neuen Zungen reden und Schlangen mit den Händen hochheben.‹« Er holte eine dritte Kiste heraus und stellte sie auf die beiden anderen. Dann hob er die aufeinandergestapelten Kisten hoch und
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