Die Würfel Gottes
Fingern. Der Kopf des Teenagers schoss von seinem Gameboy hoch. Elizabeth schaute ihn streng an. »Telefonbuch Columbus«, sagte sie. »Mannheimer, Richard.«
»706-544-1329«, rezitierte Michael. Dann senkte er den Kopf und kehrte an sein Spiel zurück.
Elizabeth lächelte. »Nicht schlecht, oder? Er hat das Telefonbuch von Columbus auswendig gelernt, als er mit mir zusammenlebte. Das von Macon auch.«
David schrieb die Nummer auf ein Stückchen Papier. Er war von Michaels Gedächtnisleistung nicht besonders überrascht; er wusste, dass viele autistische Kinder erstaunliche mnemotechnische Fertigkeiten hatten, und er erinnerte sich an die Telefonbücher, die in dem Computer in Carnegie’s Retreat gespeichert waren. Was ihn beunruhigte, war die Selbstverständlichkeit, mit der Elizabeth die Fähigkeit ihres Sohnes nutzte. Sie hatte die Nummer mit dem Fingerschnalzen offenbar schon früher ausprobiert. Es musste eine bequeme Art gewesen sein, Verbindung zu ihren Freiern aufzunehmen.
Er gab ihr den Zettel. »Rufen Sie den Sergeant an und bitten Sie ihn um einen Gefallen. Sagen Sie ihm, Sie hätten ein paar Freunde in der Stadt, die Passierscheine brauchen, um in die Kaserne zu kommen. Sagen Sie ihm, wir wollten
unseren kleinen Bruder besuchen, hätten aber aus Versehen unsere Ausweise zu Hause gelassen.«
Sie schielte auf die Telefonnummer und schüttelte den Kopf. »Mannheimer wird das nicht umsonst tun, wissen Sie. Er wird eine Gratisnummer von mir haben wollen. Vielleicht zwei.«
Das hatte David erwartet. Er zog seine Brieftasche hervor und nahm fünf Zwanziger heraus. »Keine Sorge, dafür komme ich auf. Einhundert jetzt und zweihundert, wenn wir fertig sind. Abgemacht?«
Elizabeth starrte auf die Zwanzig-Dollar-Scheine. Sie leckte sich über die Lippen, schmeckte wahrscheinlich schon die Speed-Kristalle. Dann schnappte sie sich das Geld und ging zurück zu dem Münztelefon.
David schaute zu Monique, aber sie wandte sich von ihm ab. Sie war sauer, keine Frage, aber sie sagte kein Wort, und das war schlimmer, als wenn sie ihn angeschrien hätte. Sie sahen schweigend zu, wie Elizabeth die Nummer an dem Münztelefon eintippte und zu reden anfing. Schließlich streckte David seinen Arm aus und berührte Monique an der Schulter. »Hey, was ist los?«
Sie schüttelte seine Hand ab. »Du weißt, was los ist. Du machst den Zuhälter für sie.«
»Nein, das tue ich nicht! Ich sorge nur dafür, dass …«
»Was wird sie deiner Ansicht nach mit dem Geld anfangen? Sie wird alles für Speed verbrauchen und sich den Kopf völlig zudröhnen. Und dann muss sie wieder in den Stripteaseclub und in das Motelzimmer.«
»Sieh mal, wir brauchen sie, um die Theorie zu finden. Wenn du eine bessere Idee hast …«
Auf einmal packte Monique David am Arm. »Irgendwas stimmt da nicht«, sagte sie und zeigte auf das Münztelefon. Graddick stand neben Elizabeth und redete laut auf sie ein. Sie beachtete ihn nicht und redete weiter in den Hörer.
Einen Augenblick später packte Graddick sie um die Taille und begann, sie zu dem Kombi zu schleppen. David wusste nicht, was los war, bis er den Victory Drive hinuntersah und feststellte, dass ein halbes Dutzend schwarzer Geländewagen vor der Night Maneuvers Lounge parkte. Ein Schwarm von Männern in grauen Anzügen sprang aus den Fahrzeugen und umringte das Stripteaselokal.
Graddick riss die Hecktür des Kombis auf und schob Elizabeth hinein. »Lassen Sie den Motor an, Bruder! Satan ist hinter uns her!«
Karen stand im Wohnzimmer von Gloria Mitchells Apartment und lugte durch die Jalousien auf den Verkehr der East Twenty-Seventh Street hinaus. Zwei stämmige Männer in Sweatshirts lungerten auf dem Bürgersteig neben einem Lieferwagen herum, der sich in den vergangenen zwölf Stunden nicht von der Stelle bewegt hatte. Alle paar Minuten legte einer der beiden Männer die Hand vor den Mund und tat so, als müsse er husten. Er sprach in ein Mikrofon, das in einem Hemdsärmel versteckt war.
Jonah saß auf der Couch und blätterte in einem Astronomiebuch, das er in Glorias Bücherregal gefunden hatte. Gloria stand in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers und redete auf ihrem Mobiltelefon mit ihrem Redakteur. Sie hatte rabenschwarze Haare, magere Beine, ein spitzes Kinn und dunkle Augen und war dauernd in Bewegung. Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, klappte sie das Telefon zu und sagte zu Karen: »Ich muss jetzt los. Ein Doppelmord in Brooklyn. Bleibt einfach hier, bis ich
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