Die Würfel Gottes
seines Körpers pumpen. Die Ärzte hatten ihm eine Sauerstoffmaske vor das Gesicht geschnallt und ihn in eine sitzende Position gebracht, damit
die Flüssigkeit aus seiner Lunge abgeleitet wurde, aber diese Maßnahmen zeigten keine große Wirkung. Der alte Mann sah schon wie eine Leiche aus.
Nach ein paar Sekunden begann sich der Leichnam allerdings zu bewegen. Kleinman schlug die Augen auf und hob langsam die linke Hand zum Gesicht. Mit gekrümmten Fingern klopfte er gegen die durchsichtige Plastikmaske, die seinen Mund und seine Nase bedeckte. David beugte sich über das Bett. »Dr. Kleinman? Ich bin’s, David. Können Sie mich verstehen?«
Obwohl die Augen des Professors wässrig und stumpf waren, heftete sich sein Blick auf David. Kleinman klopfte wieder gegen die Sauerstoffmaske, und dann griff er nach dem Beatmungsbeutel, der darunter hing, sich füllte und leerte wie ein dritter Lungenflügel. Nachdem er einen Moment daran herumgefummelt hatte, bekam er das Ding zu packen und begann daran zu ziehen.
David erschrak. »Ist irgendwas nicht in Ordnung? Bekommen Sie keine Luft?«
Kleinman zog fester an dem Beutel. Seine Lippen hinter der Plastikmaske bewegten sich.
David beugte sich näher zu ihm hinab. »Was ist los? Was ist nicht in Ordnung?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. Ein Schweißtropfen lief ihm die Stirn hinunter. »Sehen Sie es nicht?«, flüsterte er hinter der Maske. »Sehen Sie es nicht?«
»Was soll ich sehen?«
Kleinman ließ den Beutel los und hielt die Hand hoch, drehte sie langsam in die eine und die andere Richtung, als würde er einen Pokal herumzeigen. »So wunderschön«, flüsterte er.
David hörte ein feuchtes Rasseln in Kleinmans Brust. Das war die Flüssigkeit, die sich in seiner Lunge staute. »Wissen Sie, wo Sie sind, Professor? Sie sind im Krankenhaus.«
Kleinman starrte weiter auf seine Hand oder, genauer gesagt, auf den leeren Raum, den seine Hand umschloss. »Ja, ja«, keuchte er.
»Jemand hat Sie in Ihrem Apartment überfallen. Die Polizei möchte wissen, ob Sie sich an irgendetwas erinnern.«
Der alte Mann hustete, versprühte rosafarbenen Speichel auf die Innenseite seiner Maske. Aber seine Augen hefteten sich weiterhin auf den unsichtbaren Pokal in seiner Hand. »Er hatte recht. Mein Gott, er hatte recht!«
David biss sich auf die Unterlippe. Er wusste jetzt ohne jeden Zweifel, dass Kleinman im Sterben lag, weil er schon einmal einen ähnlichen Kampf miterlebt hatte. Vor zehn Jahren hatte er neben dem Krankenbett seines Vaters gestanden und zugesehen, wie er an Leberkrebs starb. Davids Vater John Swift war Busfahrer und ein ehemaliger Boxer gewesen, der seine Familie verlassen und sich zu Tode getrunken hatte. Am Ende hatte er nicht mal seinen Sohn erkannt. Stattdessen hatte er unter der Bettdecke um sich geschlagen und die Namen der ehemals berühmten Weltergewichtsboxer verflucht, die ihn dreißig Jahre zuvor bewusstlos geschlagen hatten.
David ergriff Kleinmans Hand. Sie war weich und schlaff und sehr kalt. »Professor, hören Sie mir bitte zu. Das ist wichtig.«
Die Augen des alten Mannes hefteten sich wieder auf ihn. Sie waren der einzige Teil von ihm, der noch am Leben zu sein schien. »Alle haben gedacht … dass er versagt hätte. Aber er hatte Erfolg. Er hatte Erfolg!« Kleinman sprach abgehackt, machte zwischendurch flache Atemzüge. »Aber er konnte … es nicht veröffentlichen. Der Doktor sah … die Gefahr. Viel schlimmer … als eine Bombe. Zerstörer … der Welten.«
David starrte den alten Mann an. Der Doktor? Zerstörer der Welten? Er packte Kleinmans Hand ein bisschen fester.
»Versuchen Sie bei mir zu bleiben, okay? Sie müssen mir von diesem Mann erzählen, der Sie verletzt hat. Erinnern Sie sich, wie er aussah?«
Das Gesicht des Professors war jetzt in Schweiß gebadet. »Das war der Grund … weshalb er gekommen ist. Das war der Grund … warum er mich gefoltert hat.«
»Gefoltert?« David war erschüttert.
»Ja, ja. Er wollte … dass ich es aufschreibe. Aber das hab ich nicht getan. Ich habe es nicht getan!«
»Was sollten Sie aufschreiben? Was wollte er von Ihnen?«
Kleinman lächelte hinter der Maske. »Die Einheitliche Feldtheorie«, flüsterte er. »Das letzte Geschenk … des Doktors.«
David war verblüfft. Die einfachste Erklärung war, dass der Professor halluzinierte. Der Schock des Überfalls hatte Erinnerungen aus der Zeit vor einem halben Jahrhundert an die Oberfläche geholt, als Hans Kleinman ein junger
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