Die Wundärztin
beiden Soldaten Anweisungen. Dabei ruhten seine Augen bereits auf Seume, der auf den Tisch gebettet war. Magdalena entging nicht, dass er mehrmals an seine Hosentasche griff. Also hatte sie sich nicht getäuscht: Der Feldscher trug die Phiole mit Gift tatsächlich bei sich. Ob er es wagen würde, sich ihrer zu bedienen?
Magdalenas Blick wanderte zu Seume. Es war seltsam, den rüden Mann so hilflos daliegen zu sehen. Die Wunde am Kopf sah dramatisch aus, stetig pulste Blut heraus. Mittels eines aufgelegten Tuchs hatten die Knechte versucht, die Blutung zu stoppen, doch das nutzte wenig, weil der Druck fehlte. Das Leinen war tiefrot durchtränkt. Die offene Verletzung am Hals dagegen schien weniger schlimm als von Meister Johann befürchtet. Offensichtlich war die Schlagader nicht verletzt. Diese Blutung war zum Stillstand gekommen, an den Wundrändern bildete sich bereits dünner Schorf. Seumes restlicher Körper lag starr. Die Arme rechts und links waren mit Gurten am Tisch befestigt, bei den Beinen hatte sich die Maßnahme aufgrund der Verletzungen erübrigt. Verdreht hing das linke aus dem Hüftgelenk, auch das rechte war versehrt. Noch einmal besah sich Magdalena Seumes Gesicht. Die Augenlider hielt er geschlossen, als schliefe er. Sein Atem ging sehr flach, viel zu schwach für einen Mann seiner Konstitution. Sie wunderte sich, dass die rauhen Steckenknechte bereit gewesen waren, noch weitere Handlangerdienste zu leisten: Grob war das Gesicht von Blut und Schmutz gereinigt, Mantel und Wams hatten sie Seume bereits ausgezogen und das Hemd so weit aufgeknöpft, wie es für den Eingriff nötig war.
Plötzlich spürte sie einen leichten Luftzug aus dem hinteren, sauber abgegrenzten Bereich des Zeltes. Der Vorhang öffnete sich einen Spalt, eine Hand tauchte auf, löste die Verschnürung, dann stand Rupprecht vor ihr.
Gegen ihren Willen entfuhr ihr ein spitzer Schrei. Hastig presste sie die Hand auf den Mund und äugte zu Meister Johann. Auch der Feldscher riss die Augen auf, schluckte die Überraschung allerdings hinunter und setzte eine geschäftige Miene auf. Rupprechts dunkle Augen blickten unternehmungslustig, als freute er sich auf die bevorstehende Arbeit. Fehlte nur noch, dass er die Hände frohgemut gegeneinanderrieb.
»Zufrieden?«, fragte er Meister Johann und nahm ihm die Lederrolle mit den Instrumenten ab. Bevor der Feldscher etwas erwidern konnte, verschwand Rupprecht noch einmal und kehrte mit einem offenen Feuer in einer Kupferschale von draußen zurück. Umsichtig begann er, die Zangen und Nadeln darüber zu erhitzen.
»Roswitha hat mich die ganze Nacht gebraucht.« Als wäre sein überraschendes Wiederauftauchen die natürlichste Sache der Welt, grinste er Magdalena an. »Ein Kind wollte nicht raus. Das Gewitter muss es verschreckt haben. Vorhin erst ist es uns gelungen, das Balg mit vereinten Kräften ans Licht zu ziehen.« Kaum merklich zwinkerte er ihr zu. »Wenn dir das Licht reicht, können wir anfangen«, wandte er sich an Meister Johann. »Ich glaube, die Wunde an Seumes Schädel ist die schlimmste. Die sollten wir rasch nähen. Außerdem sind einige Knochen gebrochen, vor allem die Rippen. Deshalb tut er sich mit dem Atmen schwer. Das Einrenken der Beine sollten wir auch nicht lange aufschieben. Am Ende kann er sich sonst nicht mehr bewegen. Wenn du noch genug von der geheimnisvollen Paste deines Meisters hast, sollten wir ihn damit am Leib behandeln. Mehr als beten können wir danach nicht mehr.«
Abermals breitete sich im Zelt eine eigenartige Stille aus. Kaum wagte Magdalena Luft zu holen, um nicht zu viel Lärm zu verursachen. Dass Meister Johann noch immer schwieg, war kein gutes Zeichen. Sein Gesicht verfärbte sich bereits wieder. Die Hände ballte er zu Fäusten, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten. In seinem Innern schien es so zu toben, dass das Unwetter der letzten Nacht im Vergleich dazu ein harmloser Schauer gewesen war.
Vor dem Zelt gingen die Aufräumarbeiten weiter, obwohl der Sinn angesichts des drohenden Angriffs der Schweden nicht mehr recht ersichtlich schien. Mehr als einmal krachte unter lautem Getöse ein weiterer Balken zu Boden. Die darüber ausgestoßenen Flüche ließen Übles befürchten. Erst leise und zart, dann immer lauter und heftiger trommelte der Regen wieder auf das Zeltdach.
Als wäre das das Zeichen, griff Meister Johann zu dem glühenden Besteck und beugte sich über Seume. Eilig nahm Rupprecht die Öllampe und beleuchtete die Kopfwunde. In
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