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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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drei Lagen den Boden der Kiste bedeckte, noch reichen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Nebenan schepperte etwas. Alarmiert sahen sie einander an.
    »Er wird wach!« Rupprecht stürzte zu Seume. Magdalena blieb bei der Kiste und suchte ein paar besonders lange Streifen heraus, bevor sie den Deckel gut abschloss. Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Eric sie die ganze Zeit beobachtete.
    »Magdalena.« Mühsam streckte er die rechte Hand aus. Sie zögerte und warf einen kurzen Blick Richtung Vorhang. Dahinter war es wieder still. Rasch beugte sie sich zu ihm, ergriff seine Hand und sah ihn an. Der Blick in seine blauen Augen ließ einen ganzen Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch auffliegen. Ihr wurde warm, gleichzeitig spürte sie, wie ihre Augen feucht wurden.
    »Geh kein Risiko ein! Die Kleine ist wichtiger.« Seine Stimme war leise, aber er sprach erstaunlich klar. Schweigend nickte sie und wandte sich ab, damit er die aufsteigenden Tränen nicht entdeckte.
    Rupprecht sah ihr entgegen, als sie hinter dem Vorhang hervorkam. Zum Zeichen, dass Seume wieder eingeschlafen war, legte er den Zeigefinger auf die Lippen. Nach der Operation hatten sie den Profos auf ein weiches, trockenes Lager aus Stroh gebettet. Der Tisch, auf dem sie ihn zuvor behandelt hatten, war fortgeräumt worden. Dadurch gab es ausreichend Platz im Zelt, damit die beiden Steckenknechte sowohl Rupprecht, Magdalena und Seume als auch Eric im abgetrennten hinteren Bereich im Auge behalten konnten. Nur Meister Johann hatte sich unter dem Vorwand, einen Kranken versorgen zu müssen, aus der Unterkunft verabschieden dürfen.
    Ein halbes Dutzend Menschen hielten sich also seit mehreren Tagen schon in dieser Enge auf. Nachts rollten sie sogar die Decken nebeneinander auf dem Boden aus. Dabei schirmte Rupprecht Magdalena notdürftig mit seinem Körper gegen die Zudringlichkeiten der beiden Steckenknechte ab. Mehrfach hatten sie bereits versucht, ihr zu Leibe zu rücken. Jedes Mal hatte sie lediglich ein Grummeln von Seumes Lager vor Schlimmerem bewahrt. Es war, als spürte der Offizier bis in seine Bewusstlosigkeit hinein, was in seiner Umgebung vor sich ging. Wenn es hart auf hart gekommen wäre, hätte Rupprecht allein nichts für sie ausrichten können, das wussten sie alle vier.
    Die Wachsschicht auf Seumes Planen war dicker als bei anderen Zelten. Deshalb war der Regen bislang nicht ins Innere durchgesickert. Auch die Gräben außen hielten das Wasser ab. Wenn sie Glück hatten, blieb das die nächsten Tage so. Alle in Regiment und Tross hofften auf besseres Wetter. Das vergebliche Warten auf das Auftauchen der Schweden erschien bereits als kleineres Übel als diese unerträgliche Nässe.
    »Seume wird noch länger schlafen, dafür habe ich gesorgt.« Stolz hielt Rupprecht einen zweiten Schlauch Branntwein in die Höhe. »Schließlich soll er nicht darben, nur weil er verwundet ist.«
    Das verschwörerische Zwinkern misslang ihm gründlich. Magdalena achtete nicht weiter darauf, sondern begann, die Verbände um Seumes Kopf zu lösen. Vorsichtig entfernte sie die Kräuterblätter, die sie direkt auf die Haut aufgelegt hatte. An manchen Stellen klebten sie am Wundschorf fest. Angestrengt biss sie sich auf die Lippen, als spürte sie den Schmerz am eigenen Leib, wenn sie das Pflaster energisch abriss. Seume brummte im tiefen Schlaf, zeigte höchstens durch ein Liderflattern, dass er etwas spürte. Endlich lag die Wunde frei. Stumm reichte ihr Rupprecht den Salbentiegel.
    Vor dem Zelt wurde es unruhig. Männerstimmen klangen auf. Magdalena glaubte den Ausruf »Die Schweden« zu hören. »Halt dein Maul!«, fuhr ein anderer schroff dazwischen. Doch es war zu spät. Nun brach erst recht Trubel aus. Menschen rannten vorbei, patschten in Pfützen, stießen gegeneinander. Einmal wankte die Zeltwand gefährlich, weil ein dunkler Schatten von außen dagegenfiel. Laut wurde geflucht. Säbel rasselten, jemand lud eine Muskete, ein anderer schimpfte, weil er seinen Degen nicht fand.
    »Holt die Pferde!«
    »Wo bleibt das Signal?«
    »Potz Blitz! Seid ihr alle närrisch geworden?« Eine dröhnende, tiefe Stimme übertönte die anderen. Schlagartig wurde es still. Lediglich das Klappern der Waffen verriet, dass die Männer sich weiter sortierten. Wahrscheinlich war es ein Oberst gewesen, der die anderen zur Ordnung rief. Leise erteilte er weitere Befehle. Nun waren nur noch sich eilig entfernende Schritte zu hören. Die Soldaten sammelten sich wahrscheinlich

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