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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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zum Vorschein. Der Bernstein! Wie hatte sie den vergessen können? Ein wahres Wunder, dass Magdalena ihn nicht schon entdeckt hatte. Anscheinend wickelte sie ihr Kind nicht, wenn sie es bei sich hatte.
    Andächtig hob Elsbeth den Stein hoch und hielt ihn gegen das unruhig blakende Talglicht auf der Truhe. Golden leuchtete das Schmuckstück auf. Haarfein hoben sich die Einzelheiten des eingeschlossenen Insekts vor dem honiggelben Innern ab. Kaum konnte sie sich sattsehen an dieser Vollkommenheit. Erst Carlottas Quieken riss sie wieder in die Gegenwart zurück.
    »Der wird uns Glück bringen, meine Kleine!« Freudig tätschelte sie Carlotta den nackten Bauch und ließ den Stein an der Lederschnur vor ihrem Gesicht pendeln. Aufmerksam folgte die Kleine ihm mit den blauen Augen und saugte weiter an dem Lederstück.
    »Wird schon einen Grund geben, warum Magdalena ihn nie hergezeigt oder bei einem Händler eingetauscht hat. Ganz sicher verleiht der Stein besondere Kräfte. Oder er beschützt einen vor Unheil. Magdalena jedenfalls ist noch nie etwas Schlimmes passiert. Und das, wo sie doch seit zwei Jahren allein im Tross lebt.«
    Obwohl sie wusste, dass Carlotta nichts von dem verstand, was sie sagte, konnte sie nicht aufhören zu reden. Insgeheim beruhigte es ihr Gewissen. Immerhin hatte sie der Cousine den Stein gestohlen.
    »Wir werden schon sehen, was jetzt mit uns beiden geschieht.« Entschlossen knotete sie sich die Schnur um den Hals und schob den Stein unter das Mieder, wie sie es bei Magdalena beobachtet hatte. Länger wollte sie es nicht riskieren, das kostbare Stück bei Carlotta zu lassen. »Und ob es Magdalena schadet, wenn der Bernstein sie nicht mehr beschützt.«
    Nachdenklich legte sie sich die Hand auf die Brust und tastete nach dem Stein. Dann lächelte sie zufrieden und wickelte Carlotta in trockene Tücher, bevor Magdalena auftauchen und das Linnen für sich zurückfordern konnte.
    9
    Vom Regen war nichts mehr zu spüren. Indes versank die Sonne als glühender Feuerball am Horizont. Zurück blieb ein leuchtendes Goldband, dessen Schlieren sich weit über den Abendhimmel ausbreiteten. Traurig beobachtete Magdalena das Schauspiel. Bernsteinfarben färbte sich das Firmament ein. Sie fühlte sich leer, bedauerte wieder einmal, den vertrauten Glücksbringer verloren zu haben. Ein schlechtes Zeichen. Je länger sie darüber nachgrübelte, wie sie Eric retten könnte, desto auswegloser erschien ihr ihre Situation. Aufgewühlt raufte sie sich die Haare. Jede Entscheidung ging zu Lasten eines geliebten Menschen. Unauflösbar war das Schicksal Erics, Carlottas und Meister Johanns miteinander verwoben.
    Allmählich senkte sich die Nacht über das Lager. Höchste Zeit, zum Zelt zurückzukehren. Magdalena wandte sich vom Ufer der träge fließenden Ohm ab und trat den Weg vom östlichen Rand des Lagers quer durch das Quartier der Offiziere zu den Unterkünften der einfachen Soldaten an. Zügig schritt sie aus, stahl sich an dem Platz vorbei, auf dem die Offiziere beieinandersaßen, würfelten und Karten spielten. Ganz in ihre Partien vertieft, schien niemand von ihr Notiz zu nehmen, bis auf einmal eine heisere Stimme ertönte: »Sieh an, die rote Magdalena! Was schleichst du dich hier im Dunkeln herum? Komm ein bisschen her zu uns und vertreib uns die Zeit.«
    Ehe sie sich versah, war einer der Männer aufgesprungen. Er legte den Arm um ihre Schultern und führte sie näher ans Feuer. Johlend wurde sie von gut einem Dutzend Offiziere begrüßt, darunter Korporale, Rottenführer und Steckenknechte. Einer von ihnen war der Anführer des Suchtrupps, der die beiden Soldatenmörder gefangen genommen hatte. Freudig nutzte er die Gelegenheit und erzählte seinen Kameraden, wie er sie und Roswitha draußen vor dem Lager getroffen und vor einem möglichen Überfall bewahrt hatte.
    »Komm, nimm dir was von unserem Eintopf.« Schon reichte ihr jemand einen Löffel und wies mit dem Kopf auf einen Kessel, der über dem Feuer hing. Fackeln warfen ihren unsteten Schein auf die Versammelten, beleuchteten Buden und Zelte. Bald erspähte Magdalena auch eine Reihe Frauen, offenbar nicht allein Trosshuren, die mit den Offizieren ihren Spaß haben wollten. Sie trat zum Topf. Der verlockende Duft nach Gesottenem stieg ihr in die Nase, und ihr leerer Magen begann zu rumoren. Drüben im Wagen war zwar noch etwas gepökeltes Fleisch und zweifach gebackenes Brot, das war aber keine Verlockung im Vergleich zu diesem Eintopf. Dankbar

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