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Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Titel: Die wunderbare Welt der Rosie Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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aufzubauen.
    Wir waren zwar schon während des Studiums gut befreundet gewesen, aber während dieser sechs Monate wurde unsere Freundschaft so stark, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Ben war einfach unglaublich. Vorsichtig las er die am Boden zerstörten Überreste von Rosie Duncan auf und setzte sie sorgsam wieder zusammen. Er besorgte mir eine private Tutorenstelle an der Harvard Design School, und nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte und mir das ganze Ausmaß dessen bewusstwurde, was David mir angetan hatte, betätigte Ben sich ungezählte Stunden als mein Therapeut. Nie maßte er sich ein Urteil an, er hörte einfach
nur zu, ertrug geduldig meine Tränen, meine Wut, meine Fragen nach dem Warum, und deutete nie, nicht ein einziges Mal, an, dass es ihm zu viel würde. Er war sozusagen mein Fels in der Brandung, an den ich mich halten konnte und der mir mit seiner Anteilnahme wieder auf die Beine half. Ben war meine Stütze, bis ich im Laufe der nächsten Tage, Wochen und Monate langsam wieder zu Kräften kam. Ben war es auch, der mich dazu ermutigte zu träumen und Pläne für meinen weiteren Lebensweg zu schmieden, der ja nun unerwarteterweise wieder ganz allein in meinen Händen lag.
    Eine Möglichkeit wäre wohl gewesen, nach England zurückzukehren, doch komischerweise kam das für mich nie infrage. Obwohl ich in meinem Zustand kaum imstande war, meinen Alltag zu bewältigen, war mir eines von Anfang an klar gewesen: Ich kann nicht zurück. Wenn ich jetzt zurückkehrte und versuchte, mein altes Leben wieder aufzunehmen, würde Davids Verrat irgendwie noch vernichtender gewesen sein. Damals, inmitten der Überreste meines am Boden zerstörten Selbstwertgefühls, traf ich jene Entscheidung, die von da an mein Mantra werden sollte: Ich schaue nicht zurück.
    Dies war mein Akt der Auflehnung gegen den Mann, der meine Welt zum Einsturz gebracht hatte: Deinetwegen bin ich hier – deinetwegen bin ich nach Amerika gegangen – , und hier werde ich bleiben.
    Ich schloss die Tür hinter meiner Vergangenheit und begann Stück für Stück mein Leben wiederaufzubauen, und erst jetzt, fast sieben Jahre nachdem David mich hatte sitzenlassen, wurde mir klar, dass ich eine Mauer um mich gezogen hatte, die einzureißen komischerweise viel schwerer fiel, als sie zu errichten.
    An dem Tag, als ich – einigermaßen wiederhergestellt und mit einem bestens gegen künftige Angriffe gewappneten
Herzen – nach New York kam, fing ich an, den »amerikanischen Traum« zu verstehen, diesen unerschütterlichen, allumfassenden Glauben daran, dass alles möglich ist. Ich war von Menschen umgeben, die von eben diesem Glauben getrieben wurden. Wie Eisenspäne waren sie vom magnetischen Sog Manhattans angezogen worden, kamen aus allen Teilen des Landes, aus allen Ländern der Welt und aus allen vier Himmelsrichtungen über Land und über See in diese magische Stadt der Träume. Und von da an habe ich jeden Tag gespürt, wie dieser Traum nach mir rief – so wie Mum, wenn sie uns am Weihnachtsmorgen geweckt hatte, als James und ich noch klein waren: »Kommt, steht auf – das müsst ihr euch anschauen!«
     
    Eine Hand streichelte sanft meine Wange, als der Schlaf sich langsam verzog und ich aufwachte. Ich blinzelte ein paarmal, bis der Nebel sich lichtete und ich das Gesicht vor mir erkannte.
    »Hey, Kleines. Wie geht’s?«
    »Hi. Beschissen.«
    Ed lächelte. »So siehst du auch aus.«
    Trotz allem musste ich lachen. »Danke.«
    Das Lächeln wich aus seinem Gesicht. »Ich weiß übrigens Bescheid. Celia hat mir alles erzählt. Schau mich nicht so an, Rosie – ich weiß es, und es ist okay.«
    Und das war es. Einfach so. Nach all den Jahren, die ich mich geweigert hatte, ihm davon zu erzählen, nach all meinen Ängsten, wie es sich auf unsere Freundschaft auswirken könnte, brauchte es nur diesen einen Satz: Ich weiß es, und es ist okay. Obwohl ich mich noch immer furchtbar elend fühlte, war es mir doch ein überraschender Trost zu wissen, dass Ed Bescheid wusste.
    »Es tut mir leid«, sagte ich.

    »Was tut dir leid?«, fragte er mich entgeistert.
    »Dass ich es dir nicht gesagt habe … ich hätte es dir sofort erzählen sollen.«
    Er lächelte und strich mir über die Stirn. »Ach, damit kann ich leben. Natürlich habe ich mich immer gefragt, was es ist und wann du es mir wohl erzählst … Aber Hauptsache, ich weiß es jetzt. Nur darauf kommt es doch an. Und weißt du was, Rosie? Du hast dich fantastisch

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