Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
weißen Weidenkorb, der unter dem Klavier im Wohnzimmer stand, lagen kuschelige Decken. Nichts passte zusammen, und doch ergab alles eine geradezu perfekte Einheit. Vor allem war es sehr gemütlich – und das war mir nach diesem total verrückten Tag eigentlich das Wichtigste.
»Okay, ich muss jetzt wieder in den Laden. Auf dem Heimweg fahre ich dann bei dir vorbei und hole ein paar Klamotten und Kram aus der Wohnung«, meinte sie und drückte mir einen Stapel Zeitschriften in die Hand. »Fühl dich wie zu Hause und geh ruhig raus, wenn du willst – Schlüssel hängt neben der Tür. Celia sagt, dass dich niemand in SoHo vermuten wird.«
Nachdem sie weg war, bekam ich wirklich Lust auf einen kleinen Spaziergang. Um mich etwas sicherer zu fühlen, setzte ich mir zur Tarnung einen von Marnies bunten Filzhüten auf, dann wagte ich mich hinaus, atmete die kalte, klare Januarluft ein und genoss meine wiedergewonnene Freiheit.
Ich stöberte eine Stunde in einem Antiquariat, das gleich gegenüber lag, erstand ein schon etwas abgegriffenes, in blaues Leder gebundenes Buch über viktorianische Blumensprache sowie einige Gedichtbände und lief dann ein paar Blocks weiter zu Oscar’s, einem kleinen Coffeeshop in einer ehemaligen Bäckerei.
Ich setzte mich mit dem Rücken zu dem Fernseher, der über dem Tresen lief, las in meinen Antiquariatsfunden und lauschte den Nachrichten, die hinter mir über den Bildschirm
flimmerten. Wie kaum anders zu erwarten, war James das Topthema, und eben gab ein Sprecher des Konsulats ein knappes Statement ab.
»Dazu können wir derzeit nur sagen, dass Mr Duncan sich an einem sicheren Ort befindet, während wir mit den zuständigen Stellen über seinen Fall verhandeln. Er wird die Ermittlungen selbstverständlich unterstützen und bis auf weiteres in New York bleiben.«
»Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte mich ein rundlicher Mann mit Glatze, der neben meinem Tisch aufgetaucht war.
»Kaffee und irgendwas zu essen. Was können Sie mir denn empfehlen?«
Er lächelte herzlich und lehnte sich an den Nebentisch. »Also, dann wollen wir doch mal sehen, junge Dame … Wollen Sie was Süßes oder was Herzhaftes? Nein, warten Sie – nichts sagen. Lassen Sie mich raten.« Er rieb sich das Kinn und betrachtete mich prüfend. »Sie sehen so aus, als hätten Sie heute noch nichts Ordentliches in den Bauch bekommen, stimmt’s? Sehen Sie. Dann sind Sie hier genau richtig, denn bei uns gibt es nur ordentliche Portionen. Glauben Sie mir, ich muss es wissen – mir gehört der Laden nämlich.« Grinsend streckte er mir die Hand hin. »Oscar Arrighi.«
»Rosie. Sehr erfreut.«
»Ganz meinerseits. Jetzt, wo wir uns vorgestellt haben, gehören Sie ja praktisch zur Familie, weshalb Sie in den Genuss von Mamas Geheimwaffe gegen einen schlechten Tag kommen. Und den hatten Sie heute, stimmt’s?«
»Sieht man mir das an?«, fragte ich entsetzt.
Oscar winkte ab. »Halb so wild, Rosie. So was lernt man in meinem Job. Außerdem habe ich Sie gerade in den Nachrichten gesehen.«
In heller Panik sprang ich auf, aber Oscar legte mir beruhigend die schwere Pranke auf die Schulter und drückte mich wieder auf meinen Stuhl. »Kein Grund zur Aufregung, junge Dame. Ich sag’s nicht weiter, und von denen hat das sowieso keiner mitbekommen.« Er zeigte auf die anderen Gäste, die entweder in ihre Zeitung oder in angeregte Gespräche vertieft waren. »Nur mal so unter uns: Ich hasse Journalisten. Mein Cousin Luca ist da letztes Jahr in so eine dumme Geschichte geraten, und das verdammte Pack hat drei Wochen vor dem Haus meiner Tante Isabella campiert. Sie hat wegen dem ganzen Stress richtig schlimmen Haarausfall bekommen. Also, keine Sorge – bei mir sind Sie sicher. Was Sie jetzt brauchen, ist Mamas Hackfleisch-Calzone. Glauben Sie mir, nach dem ersten Bissen sind alle Sorgen vergessen. Klingt das gut?«
Ich strahlte ihn an. »Das klingt fantastisch, Oscar.«
Bis Marnie am Abend nach Hause kam, wurde auf allen Kanälen von der unsäglichen Blödheit meines Bruders berichtet. Celia hatte Recht gehabt: James wurde fast einhellig als der böse Engländer hingestellt, der sich das Vertrauen einer arglosen Senatorengattin erschlichen hatte, um die Steuergelder rechtschaffener amerikanischer Bürger zu verprassen. Auch in den Talkshows war es das Thema, und sogar Letterman riss in der Late Show dumme Witze über die Affäre.
»Ob der Präsident das gemeint hatte, als er den Senat dazu aufforderte, die
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