Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
und butterte ein getoastetes Brioche. »Wer immer sich das ausgedacht hat, sollte umgehend heiliggesprochen werden.«
»Vielleicht steht ja schon irgendwo ein Denkmal«, lachte ich. »Oder es gibt einen Pfannkuchen, der zu Ehren des Erfinders nach ihm benannt ist.«
»Wenn nicht, wird es höchste Zeit«, fand Celia und fegte mit der Hand ein paar Krümel vom blau karierten Tischtuch. »Vielleicht schreibe ich nächste Woche mal was darüber.«
Brunch ist eine New Yorker Institution – besonders an den Wochenenden und ganz besonders in meinem Viertel. Kaum war ich in der Stadt, machte Celia mich schon mit diesem besonderen Vergnügen bekannt. Und man mag es kaum glauben, aber die Auswahl an Lokalitäten ist so zahlreich, dass kein Brunch-Wunsch unerfüllt bleibt. Heute vergnügten wir uns mit pochierten Eiern, Pfannkuchen, Brioche und knusprigem Speck im Annie’s, einem kleinen, aber feinen (im Sinne von gemütlichen) Restaurant drei Blocks östlich von Celias Wohnung. Es liegt im Souterrain eines alten Brownstones, und der Legende nach soll es mal eine illegale Spelunke gewesen sein, die zu Zeiten der Prohibition in den Zwanzigern berühmt-berüchtigt war. Davon ist jetzt nicht mehr viel zu sehen. Jerry war früher sehr gern im Annie’s gewesen, und er hatte hier einst viele glückliche Wochenenden damit zugebracht, Celia zu hofieren. Celia gibt es zwar nicht gern zu, aber manches aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit möchte sie sich vielleicht doch bewahren. Ich könnte mir vorstellen, dass alte Gewohnheiten sie trösten – irgendwie. So liegt beispielsweise noch immer
sein Mets-Baseball auf ihrem Schreibtisch, und sie kauft ihren Räucherlachs nach wie vor bei Schumann’s Deli, obwohl sie ständig über die horrenden Preise jammert und mir jedes Mal versichert, künftig garantiert woanders einzukaufen.
Im Annie’s ist Platz für maximal zwanzig Leute, und heute waren alle Tische besetzt, weshalb sich auf der steilen Treppe schon eine kleine Schlange gebildet hatte, die bis zur Straße reichte.
»War gut, dass wir so früh gekommen sind«, meinte ich. »Die stehen jetzt schon an, und es ist gerade mal halb elf.«
»Meine Mutter ist der Ansicht, dass man sich bei der Wahl des Restaurants immer nach der Länge der Schlange richten sollte. Läden, vor denen die Leute sich nicht scharenweise die Füße in den Bauch stehen, traut sie nicht über den Weg. Andererseits hasst sie es zu warten, was die ganze Sache etwas verkompliziert. Ich weiß nicht, wie oft ich mit ihr schon reihenweise an absolut reizenden Restaurants mit freien Tischen vorbeigehen musste, bis wir endlich eins gefunden hatten, wo wir uns anstellen konnten – und dann durfte ich mir ihr Gejammer anhören, wie schrecklich es sei, hier so lange warten zu müssen. Ein wahres Dilemma, aber wie geschaffen für meine Mutter, die erst dann zufrieden ist, wenn sie nicht zufrieden ist.«
»Aber du liebst sie trotzdem, oder?«
Celia strich ihre rot karierte Serviette glatt. »Natürlich. Nur ist das nicht immer so einfach, wie ich es gern hätte. Dazu musst du wissen, dass unsere Beziehung schon immer ein bisschen kompliziert war. Ganz anders als bei dir und deiner Mutter. Mom will für mich immer etwas Besseres : besserer Job, bessere Beziehung, besseres Geld … Geschadet hat mir das nicht, nur damit wir uns hier nicht falsch verstehen, aber letztlich ist sie eben auch nie mit dem zufrieden,
was ich mache oder wer ich bin. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass sie von mir enttäuscht ist, weil es ja schließlich auch noch besser geht. Tja …«, schloss sie, und ihre strahlende Miene ließ vermuten, dass dieses leidige Thema damit abgehakt war, »… und wie ergeht es dir so? Stimmt es, dass du mit Nate letzte Woche im Noguchi Museum auf Long Island warst?«
»Stimmt, waren wir. Es war toll – ich war ganz begeistert von der Ausstellung.«
»Das war für euch beide eine Premiere, oder? Euch außerhalb des Ladens zu treffen?«
Ich musste lachen. »Nate wollte mal ausprobieren, ob wir uns auch in freier Wildbahn unterhalten können. Und siehe da: Experiment geglückt!«
»Aha!«, frohlockte Celia. »Und – hat er in freier Wildbahn verlauten lassen, wie es mit Caitlin steht?«
Gute Frage, aber das war das Seltsame letzten Samstag: Wir hatten praktisch vier Stunden ununterbrochen geredet, aber ich könnte beim besten Willen nicht mehr sagen, worüber genau. Weil ich noch nie auf Long Island war, und Nate einen der Kuratoren des Museums
Weitere Kostenlose Bücher