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Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Titel: Die wunderbare Welt der Rosie Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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Die Rosen aus Pater Jennadis Garten waren ihr immer die liebsten.«
    Wahrscheinlich hörte ich die Geschichte von Pater Jennadi und seinen Rosen zum hundertsten Mal, aber es war
etwas an Elis Erzählungen aus dem alten Weißrussland, das mich immer wieder aufs Neue in ihren Bann zog. »Erzählen Sie mir von Pater Jennadi, Eli«, bat ich ihn.
    Aber Eli hatte inzwischen Nate entdeckt, der unser Gespräch aufmerksam verfolgte. »Seien Sie gegrüßt, junger Mann. Ich bin Eli Lukich und freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Mühsam streckte er seine Hand aus, und Nate sprang rasch auf, um sie ihm zu schütteln.
    »Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin Nathaniel Amie.«
    Mr Lukich hielt Nates Hand noch einen Augenblick fest und schaute ihm prüfend ins Gesicht. »Ah … Gott segne Sie, Nathaniel Amie, Gott segne Sie.« Dann fiel sein Blick wieder auf mich. »Wie viel bin ich Ihnen schuldig, Rosie?«
    »Nur eine Geschichte aus der alten Heimat, Mr Lukich«, erwiderte ich lächelnd. Es war die Antwort, die ich ihm jedes Mal gab, und auf die Eli bereits wartete. Er strahlte über das ganze Gesicht. Fast schien die Freude jede Falte seines zerfurchten Gesichts zu glätten.
    »Dann will ich euch mal davon erzählen, wie Iwan Iwanowitschs Kuh im Fluss stecken geblieben ist …«
    Und so begann Eli seine Geschichte zu spinnen, zeichnete Figuren, die so farbenfroh und detailverliebt waren wie die bunten Muster auf einer Matrjoschka-Puppe. Er erzählte uns von Iwan, dem Schulmeister, der seiner Mutter eine Kuh gekauft hatte, doch dann feststellen musste, dass das Tier viel lieber das saftige Gras in seinem eigenen Garten fraß. Und so zerrte er das störrische Vieh jedes Mal wieder über die staubige Dorfstraße zum Haus seiner Mutter, das oben am Waldrand lag. Tag um Tag ging das so.
    »Achtmal hatte Iwan die Kuh schon zum Haus seiner Mutter gebracht, und achtmal war die Kuh wieder in seinen
Garten zurückgekehrt. Als er sie das neunte Mal hinauf zum Wald gebracht hatte, trat er wutschnaubend den Heimweg an und schritt weit aus, bis sein Missmut sich legte. Er marschierte über Felder, überquerte den Fluss und lief gerade über eine weite Wiese, als er hinter sich einen lauten Platsch hörte. Und was musste er sehen, als er sich umdrehte? Das ungehorsame Tier war von der Brücke gefallen und zappelte nun hilflos im reißenden Fluss! Wieder war die Kuh ihm gefolgt. Aber es half ja alles nichts, und so versuchte Iwan Iwanowitsch sie aus den Fluten zu retten, doch sie steckte zwischen zwei großen Steinen fest. Gerade als er schon alle Hoffnung aufgeben wollte … ja, wer kam da den Hang herab? Iwans Mutter! Und ihr werdet nicht glauben, was dann geschah … Sie beugte sich hinab zur Kuh und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Dann fasste sie ins Wasser und hob den Stein weg, der das Bein der Kuh einklemmte. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging nach Hause, und die Kuh folgte ihr. Das war die Geschichte von Iwan Iwanowitsch und der ungehorsamen Kuh. So, jetzt muss ich aber los – meine Frau wartet auf mich.« Er verabschiedete sich, und wir schauten ihm noch einen Augenblick nach, wie er mit den gelben Rosen in der Hand davonging. Nate lächelte versonnen. »Was für ein außerordentlicher Mensch … Für wen sind die Blumen?«
    »Für Aljona, seine Frau. Sie ist dreiundneunzig, zwei Jahre älter als er. Er meinte mal, dass ihre Hochzeit ihre beiden Familien entzweit hätte.« Da fiel mir etwas ein. »Weißt du noch, wie du mich vor einiger Zeit gefragt hast, woher ich so genau wisse, wie ein verliebter Mann aussieht? Tja, eben hast du einen gesehen. Eli Lukich kommt, seit ich denken kann, jeden zweiten Donnerstag des Monats zu uns in den Laden und kauft seiner Frau einen kleinen Strauß gelber Rosen. Damit hält er dann jedes Mal neu um ihre Hand
an – das macht er so, seit sie vor über siebzig Jahren geheiratet haben. So sollte ein verliebter Mann aussehen.«
    Nate pfiff leise durch die Zähne. »Ganz schön hohe Erwartungen. Du musst wirklich eine unverbesserliche Romantikerin sein, Rosie, wenn du das von einer Beziehung erwartest.«
    Ein kleiner Seitenhieb, den ich geschickt parierte. »Oh, ich erwarte das keineswegs – aber ich habe ja auch keine Beziehung. «
    »Wahre Liebe muss also genauso vollkommen sein wie die der Lukichs?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob eine Liebe heutzutage noch so sein kann wie ihre. Ihre Liebe hat die schlimmsten Hindernisse überwunden, die man sich nur

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