Die Wunderheilerin
Kühlung zu, obwohl es draußen noch recht frisch war.
Priska füllte einen Becher mit Wasser und reichte ihn dem Mann.
«Was ist geschehen?», fragte sie erneut.
Johann von Schleußig holte ganz tief Luft, dann sagte er ernst: «Regina hat Euch beim Rat angezeigt. Eure Ehe mitAdam sei keine Ehe, hat sie angegeben. Gottes Fluch liege darüber. Nicht umsonst seiet Ihr noch immer nicht schwanger. Sie hat Adams Liebsten mit Namen benannt und Ort und Zeit der Zusammenkünfte angegeben. Ein Stadtbüttel ist ebenfalls als Zeuge aufgetreten. Gesehen hat dieser, wie der Mönch sich dem Euren an den Hals warf. Zwar hat Adam sich aus seinen Armen gelöst, doch das tut nichts mehr zur Sache. Der Rat hat heute verhandelt. Morgen wird Adam zur Anhörung geholt. Ich habe mich erboten, die Vorladung zu überbringen.»
Er holte eine Schriftrolle hervor und überreichte sie Priska. Sie brach das Siegel, las mit eigenen Augen. Ihr Gesicht wurde weiß, Schweiß brach ihr aus.
«Es ist Adams Todesurteil, nicht wahr?», fragte sie.
Der Priester seufzte. «Ich weiß es nicht. Wo finde ich ihn?»
«Bei Justus, dem Kannengießer», erwiderte Priska.
Der Priester erhob sich. In Priskas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Adam war in Gefahr, wahrscheinlich ging es sogar um sein Leben. Gerade jetzt brauchte er sie. Sie konnte ihn nicht im Stich lassen.
«Es steht wirklich schlimm?», fragte sie und presste die Hände aneinander. Sie dachte an die Zeit vor ihrer Hochzeit zurück. Auch damals war er in Gefahr gewesen. Lernte er denn nichts dazu? Ärger stieg in ihr hoch, aber auch Angst. Johann von Schleußig sah sie lange an. Dann entgegnete er: «Er wird Euch brauchen, Priska.»
Sie nickte und seufzte. Wäre der Priester nur fünf Minuten später gekommen, wäre sie bereits weg gewesen. Aber sie war da. Und vielleicht war dies ein Zeichen Gottes.
«Wartet, er wird in der nächsten Stunde zurückkommen.Es nützt niemandem, jetzt schon die Pferde scheu zu machen», entgegnete Priska.
Sie goss dem Priester einen Becher Wein ein. Dann setzte sie sich zu ihm, legte eine Hand auf ihr pochendes Herz und wartete gemeinsam mit Johann auf Adam. Ihre Gedanken flogen zu Aron. Ob er schon gepackt hatte? Oh, einmal noch wollte sie ihn sehen. Einmal noch seinen Kuss schmecken. Und ihm sagen, dass sie ihn liebte. So sehr, dass sie mit ihm gekommen wäre. Plötzlich packte sie die Wut auf Adam. Er, immer er, stand ihrer Erfüllung im Weg. Weil er von seiner Liebe nicht lassen konnte, musste sie auf ihre Liebe verzichten. Das war so ungerecht. Tränen stiegen in ihr auf, und Priska hatte alle Mühe, sie zu unterdrücken. So saß sie einfach stumm da und ließ die Hände in ihrem Schoß den Stoff ihres Kleides zerknüllen.
Die Minuten dehnten sich endlos. Priska starrte vor sich auf die Tischplatte. Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf wie ein Herbststurm. Wenn Adam stirbt, dachte sie und hasste sich gleichzeitig für diesen Gedanken, wenn alles, was ich tun kann, vergebens ist, dann bin ich frei für Aron und frei von aller Schuld. Ist es das, was ich will? Nein, nein! Sie schüttelte den Kopf, ohne es zu bemerken. Im selben Augenblick ging die Haustür auf, und Adam kam zurück.
Wortlos reichte Priska ihm das Schreiben. Adam las es, dann wurde auch er blass, sah angstvoll zwischen Priska und dem Priester hin und her.
«Sie werden Euch morgen fragen, ob Ihr der widernatürlichen Unzucht noch frönt», sagte Johann von Schleußig leise. «Antwortet Ihr mit ‹Ja›, so ist Euch diesmal der Tod sicher. Antwortet Ihr mit ‹Nein›, so besteht noch eine geringeHoffnung. Der Barfüßer aber wird heute noch aus seinem Orden ausgestoßen. Die Exkommunikationsurkunde ist bereits ausgestellt.»
«Woher wisst Ihr das?», fragte Adam. Priska sah, dass die Hände, die das Schreiben noch immer hielten, zu zittern begonnen hatten.
«Ganz einfach: Ich bin der Vorsteher der Stadtkirche St. Nikolai. Auch meine Unterschrift muss unter diese Urkunde.»
«Und Ihr habt sie gegeben?»
Johann von Schleußig nickte. «Was sollte ich tun? Außerdem …», er brach ab, hob beide Hände und ließ sie fallen.
«Was außerdem?», fragte Adam.
Der Priester sah hoch. Sein Blick flackerte, doch er erwiderte tapfer: «Außerdem finde ich den Beschluss des Rates richtig. Widernatürliche Unzucht ist eine Sünde, die nicht ohne Strafe bleiben kann. Ich hatte Euch gewarnt, Adam, doch Ihr wolltet nicht hören. Ich kann mich nicht mehr für Euch einsetzen.»
«Habt
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