Die Wunderheilerin
Preis!
Priska sprang auf, breitete die Arme aus und sprach: «Ehrwürdiger Richter, verzeiht der Ehefrau des Geladenen, dass sie sich ungefragt zu Wort meldet.»
Alle Blicke wandten sich zu ihr. Totenstille herrschte plötzlich im Saal.
Priska sah zum Richter, wartete darauf, weitersprechen zu dürfen. Schließlich nickte der Mann.
«Ich bin schwanger. In sechs Monaten werden mein Mann und ich ein Kind bekommen.» Sie strich mit der Hand über ihren Bauch, bog den Rücken durch, sodass die winzige Wölbung deutlich hervortrat. «Und ich frage Euch: Wie kann ein Mann, der vom Dämon der widernatürlichen Unzucht befallen ist, ein Kind mit seiner Ehefrau zeugen? Ist meine Schwangerschaft nicht der Beweis dafür, dass mein Mann unschuldig ist? Und hat nicht der Büttel ausgesagt,nur der Mönch hätte sich widernatürlich verhalten, mein Mann jedoch seine Zudringlichkeiten abgewehrt?», beendete Priska ihre Rede. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, und ihr war plötzlich ein wenig schwindelig. Doch sie blickte den Richter tapfer an. Der starrte sie an, als hätte er noch nie eine Frau gesehen, dann aber überzog ein Lächeln sein Gesicht.
«Ich dachte mir gleich, dass die Aussagen durch Missgunst entstanden sind. Ihr seid ein tüchtiger Arzt, Dr. Kopper. Wir möchten Euch in unserer Stadt nicht missen.»
Er wandte sich an den Schreiber und befahl: «Notiert Folgendes: Dr. Kopper, Stadtmedicus, hat sich der Vorwürfe nicht schuldig gemacht.»
Dann klopfte er mit einem Hämmerchen auf den Tisch und verkündete: «Die Anhörung ist geschlossen.»
Die Leute erhoben sich, drängten zu Adam, schlugen ihm auf die Schulter, gratulierten ihm.
Priska sah, dass er die Glückwünsche wie erstarrt entgegennahm. Sie drängte sich durch die Menge, nahm Adam bei der Hand und sagte leise: «Komm! Komm mit nach Hause.»
Dann zog sie ihn aus dem Saal, aus dem Rathaus, über den Marktplatz, einen Teil der Barfüßergasse entlang bis zu ihrem Haus in der Klostergasse.
Siebzehntes Kapitel
«Du bist noch da! Oh, mein Gott, wie froh ich bin!»
Priska stand atemlos vor Aron und streckte die Arme nach ihm aus. Er ergriff sie, küsste ihre Hände, jeden einzelnen Finger, dann zog er sie an sich. «Du bist eine tapfere Frau, eine starke Frau», sagte er leise.
«Ich?», fragte Priska verwundert zurück.
Einmal, als sie noch bei Eva als Lehrmädchen lebte, hatte auch die Silberschmiedin sie eine starke Frau genannt. «Du bist stark, du wirst deinen Weg gehen», hatte sie gesagt. «Was immer du tust, ich bin sicher, ich kann stolz auf dich sein.»
Damals hatte Priska sich darüber gewundert. Nein, sie empfand sich nicht als stark. Nicht damals und nicht jetzt. Regina war ihr immer sehr viel stärker erschienen. Aber vielleicht war es ja auch Stärke, sich dem Bösen in sich selbst zu widersetzen, der Eigensucht Einhalt zu gebieten. Doch ausgerechnet jetzt fühlte sie sich klein und schwach. Ohne es zu wollen, brach sie in Tränen aus.
Aron wiegte sie, wie man ein kleines Kind tröstet, das sich an einer Tischkante gestoßen hat. Lange hielt er sie so, dann machte sie sich los, sah ihn an.
«Ich wollte zu dir kommen, Aron. Ich wollte mit dir gehen, ganz gleich, wohin du auch gehst. Ich bekomme einKind von dir, Aron. Mein Bündel war schon gepackt, ich war auf dem Weg zu dir, da kam der Priester.»
Plötzlich hielt sie inne. «Woher weißt du eigentlich, was geschehen ist?»
Aron lächelte. «Die Leute in der Vorstadt wissen ebenso viel wie die Leute innerhalb der Mauern. Sie reden über nichts anderes als darüber, wie die Doktorsfrau den Stadtmedicus gerettet hat.»
«Ja», entgegnete Priska und wurde von Traurigkeit plötzlich ganz schwer. «Ihm habe ich geholfen, aber um den Preis, nicht bei dir sein zu können.»
Aron nahm ihr Gesicht in beide Hände. «Ich lasse dich nicht allein, meine Liebe. Ich werde mich hier niederlassen. Zuvor muss ich noch einmal zurück nach Krakau. Nur für ein paar Tage. Ich muss noch einiges erledigen, muss mein Haus verkaufen, dann komme ich wieder.»
«Und wo willst du leben? Hier, in der Vorstadt?»
Aron schüttelte den Kopf. «Nein. Hier möchte ich nicht bleiben. Ich werde nach Zuckelhausen gehen.»
«Zuckelhausen?»
«Ja, das Dorf liegt vor den Toren der Stadt. Vom Grimmaischen Tor ab ist es ein Ritt von zwei Stunden. Dort werde ich mich niederlassen, denn dort regiert der Kurfürst. Er hat den Juden kein Aufenthaltsverbot erteilt.»
«Das würdest du tun?»
«Ja, Priska. Weil
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