Die Wunderheilerin
Ihr Angst um Eure Stellung?»
Priska erschrak. Adams Stimme klang bitter und war nicht frei von Gehässigkeit.
«Nein, das habe ich nicht. Alles, was ich tue, kann ich vor den Menschen und vor Gott verantworten.»
«Oh, ein Gerechter Gottes seid Ihr? Dann seid Ihr am Ende noch froh darüber, nicht wahr? Wo aber wart Ihr, als ich Euch bat, mir den Dämon auszutreiben? Glaubt Ihr im Ernst, ich möchte so leben? In dieser Heimlichkeit, mit dieser Schuld? O nein, Gott weiß, was ich alles getan habe, um ebenfalls ein Gerechter zu sein. Aber Gott will mich nicht zum Gerechten. Gott zürnt mir, seit ich lebe.»
«Ihr seid ein Narr, Adam, wenn Ihr das glaubt. Gott zürnt nicht Euch, Ihr zürnt Gott!», entgegnete der Priester.
Adam sah ihn verächtlich an und schnaubte. «Was wisst Ihr schon vom Zorn Gottes?», fragte er. «Was wisst Ihr schon von Gott? Einen Gott, den ich nie erreiche? Wer ist es, an den Ihr Euch mit Euren Gebeten wendet? Wer ist dieses Wesen, und was stellt es dar? Hat er Euch beauftragt, festzulegen, was die rechte und was die unrechte Liebe ist? Hat er Euch beauftragt, dem einen Vergebung zu gewähren und dem anderen nicht? Wer entscheidet? Nein, nicht Gott fällt sein Urteil. Ihr, Priester, entscheidet! Ihr bestimmt die Strafe für eine jegliche Sünde!»
«Adam!», rief Priska und stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. «Johann von Schleußig will dir nur helfen.»
Adam schlug die Hände vor das Gesicht, schüttelte den Kopf und ließ sich auf die Küchenbank sinken.
«Entschuldigt», sagte er und nahm die Hände runter. «Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist. Seit Jahren frage ich mich, wofür mich Gott mit dieser unseligen Liebe straft.»
«Nun, Ihr habt gewiss bald Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt aber solltet Ihr lieber überlegen, was Ihr morgen sagen werdet.»
Adam nickte, legte seine Hand auf die des Priesters. «Danke!», sagte er.
Der Priester zog seine Hand weg. «Ich muss weiter, muss ins Barfüßerkloster.»
«Wohin bringt Ihr ihn?»
«Wen?», fragte der Priester.
«Ihr wisst, wen ich meine.»
«Sprecht seinen Namen aus. Ihr müsst es tun. Spätestensmorgen. Ihr solltet sichergehen, dass Eure Stimme dabei nicht zittert.»
Adam schloss die Augen und atmete tief ein und aus. «Was geschieht mit Baptist?», fragte er.
Johann von Schleußig hob die Achseln. «Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich kommt er ins Verlies, bis das Gericht entschieden hat, was mit ihm geschieht.»
Johann von Schleußig setzte sein Barrett auf den Kopf, legte Priska kurz eine Hand auf die Schulter und verließ mit einem Nicken das Haus.
Adam saß mit gesenktem Kopf am Tisch und starrte vor sich hin. Priska sah ihm dabei zu und spürte wieder eine unbändige Wut in sich aufsteigen. Am liebsten hätte sie ihren Mann geschüttelt und geschlagen, hätte ihn angeschrien: Warum machst du mir mein Leben kaputt? Reicht es nicht, wenn du das deine zerstörst?
Adam schaute auf und sah sie flehentlich an.
Da wandte Priska den Blick ab und ging hinauf in ihre Kammer.
Am nächsten Morgen brachte Adam beim Frühstück keinen Bissen hinunter. Er verschmähte sogar die frische Milch.
Priska betrachtete ihn mit Sorge. Er war grau im Gesicht, die Ringe unter seinen Augen tief und dunkel. Ob er geweint hat?, fragte sich Priska. Hat er um den verlorenen Liebsten, die verlorene Liebe geweint? So wie ich?
«Wirst du gestehen?», fragte sie.
Adam zuckte mit den Achseln. «Ja, das werde ich wohl. Es gibt ja Zeugen für mein Tun. Die Vorwürfe werden überdies nicht zum ersten Mal erhoben.»
«Adam, das darfst du nicht, du darfst nichts davon zugeben!»
Priska hatte sich weit über den Tisch gebeugt, fasste nach seiner Hand. «Hörst du, Adam! Nichts gestehst du! Gar nichts! Es geht nicht nur um dich!»
«Priska, ich bin müde. Was soll das alles noch? Was soll mir dieses Leben? Ich begehre Männer, und keine Geißelung, keine Askese bringen mich davon ab. Soll ich den Rest meines Lebens leiden? Wenn ich sterbe, Priska, so bist du frei. Du bist jung, hast dein Leben noch vor dir. Du wirst wieder einen Mann finden, der dich liebt und der dich auch begehren kann.»
«Darum geht es nicht nur, Adam. Du bist gerade dabei, eine Arznei gegen die Franzosenkrankheit zu finden. Du kannst vielen hundert Menschen damit das Leben retten. Vielleicht schon im nächsten Jahr, vielleicht in zwei Jahren. Das ist deine Aufgabe! Du darfst die Kranken jetzt nicht im Stich lassen.»
«Und der Preis dafür?»
«Du musst
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