Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
könnten sie von Polstern stammen. Aber es sind seine Muskeln, die sich auf diese Weise unter dem dunklen Stoff abzeichnen. Man kann es sehen, als er sich bückt, Greppi mühelos aufhebt und gegen die Metallwand schleudert. Das Geräusch beim Aufprall ist schrecklich: ein Donnern, untermalt vom Knacken brechender Knochen.
Ohne auch nur einen Moment innezuhalten, hebt der Riese im rötlichen Licht ein mindestens dreißig Zentimeter langes Bowie-Messer, schneidet dem Korporal damit die Kehle durch und sägt weiter, bis sich der Kopf löst. An den Haaren hält er ihn in die Höhe.
Greppis Blut tropft auf meinen nackten Leib.
Warme Tropfen, die sich auf der kalten Haut heiß anfühlen.
» MÖCHTE NOCH JEMAND REDEN? «
Durands nervöse Stimme erklingt.
»Du hast einen Soldaten der Kirche getötet! Es sind Gesandte des Vatikans, die du gefangen hältst! Ist dir klar, was das bedeutet?«
Der Riese macht ein überraschtes Gesicht.
»Was sagst du da?«
»Ich sage, du hast einen Soldaten der Kirche getötet!«
»Welcher Kirche?«
»Der Kirche von Rom! Der einzigen Kirche, der katholischen und universalen! Einen Soldaten dieser Kirche hast du gerade enthauptet! Und der Mann, den du getreten hast, ist ein Priester!«
Ich rechne damit, dass der Riese seinen Zorn auf den Hauptmann richtet.
Stattdessen lässt der Schwarzgekleidete das blutige Messer fallen.
Er kehrt zu Greppis Leiche zurück und versucht auf groteske Weise, den Kopf wieder am Hals zu befestigen. Dabei brummt er etwas vor sich hin, das wie »Es tut mir leid« klingt.
Doch als er sich umdreht, erkenne ich keine Reue in seinen Augen.
Es sind Augen, die im ersten Moment intelligent wirken, dann aber den Wahnsinn des Gehirns dahinter verraten.
»Meine Herren, ich bitte euch, meinen Fehler zu entschuldigen. Ich bedauere sehr, was geschehen ist. Dieser menschliche Dreck hat mich getäuscht. Banditen hat er euch genannt. Nicht etwa, dass ich seinem Wort vertraue nach dem, was ich gesehen habe … Unzucht mit Toten ist widerlicher als alles andere, von Häresie natürlich abgesehen.«
Durand spielt seinen Trumpf aus.
»Häresie? Darüber solltest du mit Pater Daniels sprechen. Er ist das Oberhaupt der Heiligen Inquisition!«
Der Riese schnüffelt, als könnte er einen Priester am Geruch erkennen.
»Pater Daniels? Pater Daniels? Wo ist er?«
»Es ist der Mann, den du getreten hast.«
Unbeholfen wendet sich der Bärtige mir zu, bückt sich und sieht mir ins Gesicht.
»Bist du wirklich ein Inquisitor?«
»Ja«, seufze ich und schließe die Augen.
Der Riese klatscht in die Hände.
»Fantastisch! Fantastisch!«
Er hebt das Messer auf.
Erneut beugt er sich über mich.
Nur wenige Zentimeter trennen die Klinge des Messers von meiner Nase.
»Vergeben Sie mir, Pater. Vergeben Sie mir meinen Fehler.«
Er schneidet erst den Strick an meinen Handgelenken durch und dann auch den an den Füßen. Anschließend hilft er mir aufzustehen.
Meine Beine sind gefühllos und geben unter mir nach. Der riesenhafte Mann hält mich fest.
»Ist Ihnen kalt? Warten Sie, ich bringe Ihnen Ihre Kleidung. Es sind diese, nicht wahr? Oder vielleicht diese?«
Er wühlt in dem Haufen der Sachen, die man uns abgenommen hat. Ich helfe ihm und wähle die Kleidungsstücke, die ich im schwachen Licht für meine halte. Die ganze Zeit über brummt der Bärtige Unverständliches vor sich hin.
»Befreien Sie auch die anderen«, fordere ich ihn auf.
»Natürlich. Sofort, Pater Daniels. Sie sind Amerikaner, nicht wahr?«
»Das war ich.«
»Amerikaner. Amerikaner … Oh, my Lord, what a day …«, singt er mit einer Baritonstimme. »Seit ewigen Zeiten bin ich keinem Landsmann mehr begegnet.«
»Sie sind Amerikaner?«
Er reicht mir die Hand.
Ich ergreife sie nicht. Das Blut des armen Greppi klebt daran.
Der Mann versteht und zieht die Hand zurück.
»Ja. Ich bin Amerikaner. Ich heiße David Gottschall. Vielleicht haben Sie meinen Namen gehört …«
»Nein, ich glaube nicht …«
»Früher war ich Künstler. Heute bin ich ein Diener Gottes.«
»Was für ein Künstler?«, fragt Durand und reibt sich die Handgelenke.
Gottschall schenkt ihm überhaupt keine Beachtung und löst die Fesseln der anderen Gefangenen. Er will auch die Stricke des Herzogs durchschneiden, doch ich lege ihm die Hand auf den Arm – er ist hart wie Marmor.
»Nein. Ihn nicht.«
»Natürlich. Klar. Er nicht.« Der Riese nickt und gibt dem Krüppel einen Tritt in den Hintern. »Er ist eine große
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