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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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und vielleicht auch von Kultur – sollte den Besucher auf den Luxus der Familienresidenz Mori vorbereiten, einige Räume, die erweitert worden waren, bis sie die Größe eines kleinen Königshofs bekamen.
    An der Rückwand des Hauptsaals erwartete mich eine echte Überraschung – dort hing ein 40 Zoll großer Flachbildschirm. Und das Absurde war, dass er sogar funktionierte – er zeigte Farben in Bewegung. Natürlich handelte es sich nicht um eine Fernsehsendung, sondern um eine Aufzeichnung, aber sie war überaus eindrucksvoll. Drei gelbe und silberne Raumschiffe näherten sich einem grünen Planeten. Ich war sprachlos. Dann packte mich einer der Wächter unsanft am Arm und zog mich in ein kleines, dunkles Zimmer.
    Hinter mir schloss sich die Tür.
    Eine rote Kerze – wie jene, die die Italiener früher am Totensonntag auf die Gräber ihrer Verstorbenen setzten – warf unstetes Licht auf die Objekte in dem Raum. Der Boden bestand aus festgetretener Erde, und es lag nicht einmal ein Teppich oder eine Matte darauf.
    Ich fand einen Stuhl.
    Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass ich nicht allein war.
    Ich hörte unregelmäßiges Atmen, leise wie das Flüstern eines Buches, in dem vorsichtig geblättert wird. Als sich meine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, sah ich ein Feldbett mit einem Alten. Sein Gesicht war eingefallen, die Wangenknochen zeichneten sich deutlich unter der farblosen Haut ab. Die Augen waren trüb, ihr Blick leer. Schließlich begriff ich: Dieser Sterbende war der Mann, der die Calixtus-Gemeinschaft gegründet hatte.
    Ich hatte ihn nur einige wenige Male gesehen, bei öffentlichen Anlässen; normalerweise verließ er seinen Teil des unterirdischen Refugiums nicht. Ich war von seiner jugendlich-frischen Ausstrahlung überrascht gewesen, auch von der Aura tatkräftiger Entschlossenheit, die ihn umgab. Dies, so fand ich, war ein Mann, den man sich besser nicht zum Feind machte. Sein Blick schien magnetisch zu sein und ging mit hoher Intelligenz einher. Er war mir wie ein Feudalherr erschienen, eines Machiavelli würdig. Nur jemand wie er hatte einen schwierigen Moment – die Ankunft der Soldaten des Vatikans – in einen persönlichen Triumph verwandeln können. Er hatte mit Albani das politische Äquivalent einer Partie Schach gespielt und gewonnen.
    Und jetzt lag er dort, schwach und verbraucht. Der mächtigste Mann unserer Gemeinschaft, vielleicht sogar auf der ganzen Erde, ruhte fast reglos auf dem Feldbett, den Blick ins Leere gerichtet. Der Geruch des Todes ging bereits von ihm aus und legte sich auf alles in dem kleinen Zimmer, auch auf meine Kleidung.
    Der Alte krächzte etwas.
    Ich beugte mich zu ihm hinab und hielt ihm das Ohr an die Lippen.
    »Bist du gekommen … um mir … die Letzte Ölung zu geben? Die will ich nicht …«
    »Ich bin nicht aus freiem Willen hier. Wächter haben mich hierher gebracht. Erklären Sie mir den Grund.«
    Ein seltsames Geräusch kam aus Moris Mund, eine Mischung aus Gur geln und Röcheln. Nach einigen Sekunden begriff ich, dass es ein Lachen war.
    »Ja, stimmt. Ich habe dich rufen lassen. Weil ich, vielleicht in einem Moment der Schwäche, dachte, dass ich einen Priester brauche. Um zu reden. Nicht für eine Beichte. Ich bereue nichts. Ich habe getan, was ich für richtig hielt. Ich habe weder Gottes Werk vollbracht noch das des Teufels. Ich habe getan, was für die Menschen dieser Gemeinschaft nötig war; viele von ihnen verdanken mir ihr Leben.«
    »Niemand behauptet etwas anderes.«
    »Ich weiß noch, als ihr zu uns gekommen seid. Wir brauchen keinen Priester, hat man mir gesagt. Erst recht keinen amerikanischen. Schicken wir ihn zu den anderen, auf den Misthaufen.«
    »So nennt ihr ihn? Misthaufen?«
    »So nannten wir ihn. Heute spricht niemand mehr davon. Die Leute schämen sich. Aber wenn es ihn nicht gegeben hätte, wenn ich nicht bereit gewesen wäre, gewisse Entscheidungen zu treffen … Dann wären diese Katakomben jetzt ein großes Grab, wie sie es viele Jahrhunderte lang gewesen sind.«
    Eine knochige Hand kam unter der Decke hervor und legte sich mir auf den Arm. Die Haut war trocken wie Leder.
    »Was ich getan habe …«
    Er sprach den Satz nicht zu Ende. Ein plötzlicher Hustenanfall schüttelte ihn, und als er wieder zu Atem kam, war etwas Leben in seine Augen zurückgekehrt.
    Die krummen Finger des Alten schlossen sich um mein Handgelenk.
    »Meine Söhne taugen nichts. Ottaviano ist schwach und hängt immer am Rock seiner Mutter.

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