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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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Strahlung wir hier draußen im Licht des Tages abbekommen.
    Es spielt ohnehin keine Rolle.
    Wir alle sind sicher, dass wir Rimini nicht lebend verlassen.
    Als Feldwebel Wenzel das Grab für tief genug hält, legen er und Marcel Diop erst den toten Bitka hinein und dann auch den jungen Italiener. Dabei gehen sie sanft und vorsichtig zu Werke, als stecke noch Leben in den Körpern. Wenzel steigt ins Grab hinab und legt Bitkas Arm auf dessen Brust.
    Ich zelebriere eine kurze Seelenmesse.
    Wir haben die Gasmasken abgenommen, damit wir uns ansehen können. Die Gesichter der anderen, und vermutlich auch meines, sind bleich und angespannt; die Masken haben rote Striemen auf der Haut hinterlassen.
    Als ich das Ritual beende, tritt Hauptmann Durand nach vorn, bis er direkt vor dem offenen Grab steht.
    »Ich möchte selbst noch etwas sagen.«
    Er schließt die Augen.
    Mit ruhiger Stimme, aber voller Nachdruck, spricht er die Wortes des achtundfünfzigsten Psalms:
    Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul; zerstoße, HERR , die Backenzähne der jungen Löwen! Sie werden zergehen wie Wasser, das dahinfließt. Sie zielen mit ihren Pfeilen, aber dieselben zerbrechen. Sie vergehen, wie eine Schnecke verschmachtet; wie eine unzeitige Geburt eines Weibes sehen sie die Sonne nicht. Ehe eure Dornen reif werden am Dornstrauche, wird sie ein Zorn so frisch wegreißen. Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache siehet, und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut, dass die Leute werden sagen: Ja, der Gerechte empfängt seine Furcht; es ist ja noch Gott Richter auf Erden.
    Ein heiliger Wind scheint plötzlich durch unsere Herzen zu fahren.
    Ein Wind, der uns neue Kraft gibt.
    Wir stehen gerade, mit hocherhobenem Kopf, und die Worte hallen in unseren Köpfen wider.
    Alle zusammen sagen wir Amen , und dabei spüre ich, wie Hoffnung in uns erwacht.
    Die Hoffnung, dass unser Gott – der wahre Gott – uns nicht verlassen hat.
    Wir kehren ins Gebäude zurück.
    Die Wächter bringen uns in einen Raum ohne Fenster und mit einer Tür aus Stahl. Vermutlich war es einmal ein Heizungsraum, aber alle Installationen sind entfernt; nur einige Rost- und Ölflecken sind auf dem Boden zu sehen.
    Als sich die Tür mit einem dumpfen Pochen schließt, stehen wir im Dunkeln.
    Das Zimmer ist sehr klein. Wir legen Bune hin, mit Durands Rucksack als Kopfkissen, und für uns andere bedeutet das: Wir können uns nicht einmal setzen.
    Niemand spricht, denn wir müssen davon ausgehen, dass man uns belauscht. Unvorsichtiges Reden hat uns in diese Situation gebracht.
    Oder vielleicht auch nicht.
    Vielleicht wäre es ohnehin so gekommen. Möglicherweise stand von Anfang an fest, dass es so enden muss.
    Die Tür geht auf und bleibt gerade lange genug offen, damit Gottschalls Männer uns einen Beutel zuwerfen können.
    Im Dunkeln öffnen wir ihn. Er besteht aus muffig riechendem Papier, und das Essen darin riecht kaum besser: Trockenfisch. Sehr salzig. Und natürlich hat man uns nichts zu trinken gebracht. Wir essen trotzdem, zerbrechen die drei Fische und verteilen die Stücke. Als wir fertig sind, lecken wir uns die Finger ab.
    Bunes Lachen überrascht uns alle.
    »Was ist?«, fragt Durand.
    »Ich musste gerade daran denken, dass es nicht richtig ist.«
    »Was ist nicht richtig?«
    »Dass die einzigen beiden Italiener unserer Gruppe tot sind. Guido sprach immer wieder von Fisch. Von Fisch aus dem Meer. Thunfisch, nicht der in Dosen. Goldbrassen, Schwertfisch, selbst Sardinen. Er meinte oft, wie sehr sie ihm fehlten.«
    »Und das bringt dich zum Lachen?«
    »Nein. Es ist nur … Er stirbt, und wir bekommen Fisch zu essen.«
    »Sie hätten eine von Ihren Nummern abziehen können, Pater«, sagt Diop.
    »Von meinen Nummern?«
    »Sie hätten den Fisch vermehren können.«
    »Ich fürchte, das liegt außerhalb meiner Möglichkeiten. Es gibt nur einen, dem das gelang.«
    »Sie hätten es versuchen können.«
    »Beim nächsten Mal gern.«
    Eine Zeit lang schweigen wir. Minuten vergehen, und wir werden immer durstiger.
    »Wieso haben diese Leute Fisch?«, fragt Diop nach einer Weile. »Ich dachte, das Meer ist tot.«
    »Man unterschätze nie das Meer«, murmelt Bune. Es ist seltsam, ihn so leise sprechen zu hören. »Das Leben stammt von dort und lässt sich nicht so leicht ausradieren.«
    Diop räuspert sich.
    »Hauptmann …«
    »Ja, Marcel?«
    »Ich habe nachgedacht. Jegor hätte es bestimmt gefallen … Ich meine, beim Grab dort draußen, die Worte, die du

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