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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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zumindest.
    Ich könnte umkehren und mich wieder in den Schlafsack legen, die Augen schließen und nichts mehr sehen.
    Früher gab es sogenannte Zeichentrickfilme. Man sah sie in einem Kasten, in dem Personen und Tiere erschienen …
    In tausend Jahren beschreibt man das Fernsehen vielleicht auf diese Weise.
    Einer dieser Zeichentrickfilme zeigt einen Hasen. Frag mich nicht, was ein Hase ist. Ein Tier, das es heute nicht mehr gibt. Dieser Hase hielt sich für sehr schlau. Eines Tages ließ er sich auf einen Wettlauf mit einem Kojoten ein. Der Kojote war ein Tier wie eine Ratte, nur größer, und mit sehr eindrucksvollen Reißzähnen. An jenem Tag forderte der Hase den Kojoten heraus. Schnell wie der Blitz rannten sie beide durch die Wüste. Die Wüste sah aus wie die Ödnis, die uns umgibt, aber sie war viel wärmer und ohne Schnee. Sie liefen, bis sie einen Abgrund erreichten, sie liefen sogar über das Ende des Felsens hinaus, bis der Hase die gegenüberliegende Seite der Schlucht erreichte und der Kojote mitten in der Leere stehen blieb …
    Daraufhin zeigt Bugs Bunny dem Kojoten namens Wile E. Coyote, dass sich nichts mehr unter seinen Füßen befindet. Wile schluckt, winkt mit einer Pfote und stürzt in die Tiefe.
    Unten prallt er auf den Boden, und eine kleine Staubwolke entsteht.
    »Das ist eine hübsche Geschichte. Der Hase und der Kojote …«
    Ich richte den Blick auf Alessia. »Ich wusste gar nicht, dass ich laut gesprochen habe.«
    »Das hast du auch nicht. Du hast nur gedacht.«
    Dann lächelt sie. »Gehen wir?«
    In den Schatten des Korridors scheint ihre Hand zu leuchten.
    Ich folge ihr.
    Draußen ist es dunkel.
    Die Fensterscheiben spiegeln nichts wider.
    Mein Herz klopft so schnell wie das eines jungen Mannes.
    Wie das eines jungen Mannes, der sich freut und gleichzeitig Angst hat.

35
    GEISTER
    Wir gehen den Kanal entlang.
    Es ist eine Nacht ohne Mond und ohne Sterne, wie alle Nächte.
    Aber es schneit nicht. Der Himmel ist unbewegt und still.
    Alberto geht zwei Schritte vor uns und hält eine Laterne.
    Ohne ein Wort haben wir den Saal mit den Mumien durchquert, der mir fast vertraut geworden ist oder der mich zumindest nicht mehr erstaunt. Dort hat Alessia erneut ihre tote Schwester gestreichelt und ihr Worte zugeflüstert, die ich nicht verstanden habe.
    Dann sind wir hinausgegangen, und die Kälte der Nacht war eine Überraschung. In meinem Zimmer gab es keine Wärmequelle, aber ich habe dort nicht gefroren, obwohl der Schlafsack alles andere als dick gepolstert war. Wenn dies ein normaler Moment ist, so sollte ich Alberto und Alessia vielleicht um eine Erklärung bitten. Aber dies ist ganz und gar kein normaler Moment. Ich stehe kurz davor, das Ziel meiner Reise zu erreichen. Gleich werde ich dem Patriarchen von Venedig begegnen. In der Jackentasche habe ich den Brief, den mir Albani für ihn gegeben hat. Er hat unter der langen Reise gelitten, müsste aber noch leserlich sein. Das Wachssiegel ist an den Rändern abgebröckelt, aber davon abgesehen noch intakt. Trotz Durands Verrat kann ich die Mission noch zu einem erfolgreichen Ende bringen.
    Wir gehen schneller und erreichen die letzten Wanderer, die zum Fest unterwegs sind. Wir schließen uns ihnen an. Jemand macht eine scherzhafte Bemerkung, und die Leute lachen. Ich lache mit ihnen, und Alessia nickt anerkennend, als sie mich fröhlich sieht.
    Als ich oben am Fenster stand und die Leute im Canal Grande sah … Jetzt erscheint es mir unglaublich, dass ich dabei an Geister gedacht habe.
    »Oh, es gibt Geister. Hier in Venedig gab es sie immer. Nicht wahr, Alberto? Alberto weiß alles über die Geister von Venedig.«
    »Stimmt, Signora.«
    »Möchtest du Pater Daniels eine deiner Geschichten erzählen, Alberto?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Erzähl die Geschichte von Tintorettos Tochter.«
    Alberto überlegt einige Sekunden.
    »Von der Hexe, die aus der Mauer kam, meinen Sie? Nein, für John ist eine andere Geschichte besser. Die vom alten Wucherer des Campo de l’Abbazia.«
    »Ja, erzähl sie. Diese Geschichte kenne ich noch nicht.«
    Albertos Stimme verändert sich, wird dunkel und feierlich.
    »Wenn ihr des Nachts über den Campo de l’Abbazia kommt und einem Alten begegnet, der unter dem Gewicht eines großen Sacks gebeugt ist … Schenkt ihm kein Gehör. Er wird euch bitten, ihm zu helfen. Wenn ihr euch ihm nähert, verwandelt er sich vor euren Augen in ein brennendes Skelett. Er ist der Geist eines alten Wucherers namens Bartolomeo

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