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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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schon durchs Tal des Todes reisen muss, dann wenigstens mit Stil, nicht wahr?«
    Sein Atem stinkt nach rohem Fleisch und Fäulnis.
    Als er mich wie ein totes Tier auf seine Schulter hebt, platzt seine Wange beim Kontakt mit meiner Jacke auf, und ein schrecklicher Geruch kommt aus der Wunde. In Filmen habe ich Zombies gesehen, die gesünder aussahen als dieser übergeschnappte Prediger.
    Mit mir auf seiner Schulter klettert der Verrückte über die Reste des Kais.
    »Wie viel Mühe es mich gekostet hat, dich zu finden. In der ganzen Stadt habe ich gesucht, Gasse für Gasse. Ich dachte, dass ich dich in der Stadtmitte finden würde, nicht hier, am Arsch der Welt. Als meine Suche vergeblich blieb, dachte ich mir: Sieh dir doch mal die Kirchen, Basiliken und den ganzen Rest an. Und vor einer Stunde – Bingo! Da entdeckte ich deine Spuren und bin ihnen hierher gefolgt. Ich wollte dich überraschen, und das ist mir auch gelungen, nicht wahr? Freust du dich, mich wiederzusehen?«
    Ich schließe und öffne mehrmals die Augen, in der Hoffnung, dass Gottschall verschwindet, dass er in die Hölle zurückkehrt, aus der er gekommen sein muss.
    »Zugegeben, es gab Differenzen zwischen uns. Die eine oder andere Meinungsverschiedenheit. Aber jetzt, da wir beide hier sind, sollten wir uns gegenseitig dabei helfen, unsere Mission zu erfüllen.«
    » Unsere Mission …?«
    »Aber natürlich. Hältst du mich vielleicht für dumm? Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, was in eurem Wagen versteckt war?«
    Gottschall lacht, mit sich selbst zufrieden.
    »Glaubst du, ich wüsste nicht, womit deine Kirche den schwarzen Teufel austreiben will?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Komm schon! Ich habe das Tagebuch deines russischen Freundes gelesen.«
    » Du hast es mir also gestohlen!«
    »Gestohlen? Das Wort gefällt mir nicht. Sagen wir … Heutzutage bekommt man so selten Gelegenheit, ein Originalwerk zu lesen, und die Entdeckung von Maxims Tagebuch war wie ein Sonnenstrahl im Grau dieses Lebens, das ganz Gott gewidmet ist. Und dann das Funkgerät! Einzigartig!«
    Gottschall kratzt sich am Hals. Eine Pustel platzt auf, eine warme, klebrige Flüssigkeit kommt daraus hervor und tropft mir auf den Nacken.
    Der Eiter stinkt so sehr, dass mir übel wird.
    »Entschuldige. Ich nehme an, du gehörst zur empfindlichen Sorte, wie alle Priester. Wie früher seid ihr gewiss nicht mehr. Wie die Priester der Kreuzzüge und Hexenverbrennungen, meine ich.«
    Am liebsten hätte ich mein Bewusstsein einfach ausgeschaltet, um nicht mehr diese honigsüße und gleichzeitig raue, von Kälte und vielleicht auch von übermäßigem Trinken ruinierte Stimme zu hören – im stinkenden Atem rieche ich Alkohol.
    Es geht eine Rampe hinab. Auf halbem Weg bleibt Gottschall stehen und breitet die Arme aus, wie ein Akrobat, der das Gleichgewicht zu halten versucht.
    Ich beobachte, wie sich die Bretter des alten Landungsstegs unter unserem Gewicht biegen. Sie knirschen, halten aber stand. Langsam geht Gottschall weiter und erreicht festen Boden, der einmal der Grund der Lagune war. Eis knistert unter seinen Stiefeln. Er wirft mich wie einen Sack in den Schnee.
    »Da wären wir. Siehst du, Mann des schwachen Glaubens?«
    Der Irre holt ein Kletterseil und ein Messer aus einer Tasche seines verdreckten Parkas. Er singt leise vor sich hin, als er mir erst die Hände fesselt und dann auch die Füße.
    »Ich kann dich nicht dauernd auf der Schulter tragen. Was hältst du von einer Reise auf einem Schlitten? Das heißt, ich mache dich zu deinem Schlitten.«
    Bevor ich antworten kann, zieht er mich an dem Seil durch den frisch gefallenen Schnee. Das Eis darunter hilft, denn es bildet fast so etwas wie eine Rutschbahn.
    »Ich habe wirklich sehr nach dir gesucht«, sagt Gottschall. »Weil ich mit dir sprechen wollte. Du bist eine interessante Person. Das war mir sofort klar. Es tut mir leid, dass es zu Missverständnissen gekommen ist. Wir beide sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, nicht wahr? Wir sind Männer Gottes …«
    Um mich von dem irren Gerede abzulenken, versuche ich festzustellen, wohin mich der Wahnsinnige bringt. Zunächst habe ich gehofft, dass wir zur Insel der Toten unterwegs sind. Aber Gottschall wendet sich nach rechts und stapft an den Häusern entlang, setzt sein Geschwafel dabei fort.
    »Du hast sie ebenfalls gesehen. Die Toten, meine ich. Die maskierten Leute. Und bestimmt hast du sie auch gehört. Ganz deutlich sieht man sie nicht, aber sie sind

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