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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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bewegt, vielleicht ein tief in mir verwurzelter Instinkt. Auf diese Weise zwinge ich den Schützen, zwischen zwei Zielen zu wählen, und das erhöht meine Überlebenschance.
    Ich laufe ebenfalls im Zickzack, wie ich es bei Gottschall gesehen habe.
    Mein Ziel ist nahe: ein trockener Kanal, durch eine Häuserreihe vom Schützen abgeschirmt. Noch zehn Schritte, und ich bin aus dem Schussfeld.
    Wenn ich nicht vorher sterbe …
    Jeder Knochen in meinem Leib schmerzt, und das Atmen tut so weh, als steckten Luftröhre und Lunge voller Rasierklingen. Das Blut rauscht mir in den Ohren.
    Ich höre keine Schüsse mehr, sehe aber, wie sich kleine Fontänen im Schnee bilden, vier- oder fünfmal. Die Einschläge der Kugeln kommen immer näher und zwingen mich zu einem kleinen Umweg. Das Wrack eines quer liegenden Motorboots blockiert den Zugang zum Kanal, und eine Lücke zwischen zwei Häusern gäbe dem Schützen ein neues Schussfeld.
    Ich ändere die Richtung und halte auf einen breiteren Kanal zu.
    Eine ganze Ewigkeit laufe ich, ohne dass weitere Schüsse fallen. Vielleicht bringt sich der Schütze in eine neue Position.
    Ich erreiche eine steinerne Brücke.
    Bevor mich die Dunkelheit des Kanals aufnimmt, sehe ich zur Insel San Michele. Zuerst halte ich vergeblich nach Gottschall Ausschau, doch dann sehe ich seinen Kopf hinter der Kuppe einer schneebedeckten Düne. Es folgt ein Sprung, bei dem sich der große Mann als verblüffend agil erweist, dann verschwindet er in dem »Tal«, das die Stadt mit San Michele verbindet.
    Ich folge dem Verlauf des Kanals und verfluche den Schützen, der mich von der Insel der Toten fernhält.
    Ein Rattern, und mehrere Kugeln schlagen links von mir in die Hauswand – es regnet rote Ziegelsteinsplitter. Einige weitere Geschosse zerfetzen das Schild mit dem Straßennamen; ich kann nur das italienische Wort »Mendicanti« entziffern.
    Jetzt weiß ich, dass es mehr als nur einen Schützen gibt.
    Es sind mindestens zwei.
    Ein Gewehr und eine Maschinenpistole. Was sonst noch?
    Ich laufe schneller, auf ein seltsames Gebäude zu: eine Halle mit einer Rampe, die dorthin führt, wo früher das Wasser gewesen ist. Das Gerippe eines in Bau befindlichen Bootes weist mich darauf hin, dass es sich um eine der kleinen Werften handelt, von denen es in Venedig einst viele gab. Ein Squero , wie man sie nannte. Was für mich wichtig ist: Dort könnte ich Deckung finden. Ich klettere hoch, verliere dabei mehrmals den Halt. Schließlich erreiche ich den Schutz der Halle und sinke erschöpft an der Außenwand zu Boden.
    Keuchend sehe ich mich um, davon überzeugt, in Sicherheit zu sein.
    Meine Spuren zeichnen sich im Schnee ab.
    Sie sind viel zu deutlich zu sehen.
    Selbst ein Blinder könnte ihnen folgen.
    Ich halte einen verzweifelten Schrei zurück und stehe wieder auf. Die Tür der Halle ist vergittert und abgeschlossen.
    Mir bleibt nichts anderes übrig, als erneut in den Kanal hinabzusteigen und zu versuchen, schneller zu sein als die Verfolger.
    Aber ich kenne die Stadt nicht und würde riskieren, den Schützen entgegenzulaufen. Die Karte habe ich unterwegs verloren. Wer weiß, wo und wann. Ich kann nur beten und mich von meinem Instinkt leiten lassen. Auf dieser Seite des Kanals sind die Gebäude niedrig; auf der anderen Seite hingegen ragen sie höher auf.
    Links von mir sehe ich die vier korinthischen Säulen eines Gebäudes, das eine Kirche zu sein scheint. Vor ihr erstreckt sich eine offene Straße, eine zu offene Straße.
    Dort wäre ich wie auf dem Präsentierteller.
    Ich treffe eine Entscheidung, die ich selbst nicht ganz verstehe. Anstatt wieder aus dem Kanal zu klettern, kehre ich in die Richtung zurück, aus der ich gekommen bin, zur Brücke. Ich laufe die halbe Strecke, zähle jede Sekunde und warte auf einen weiteren Schuss.
    Doch es knallt nicht.
    Stattdessen höre ich andere Geräusche, ohne zu wissen, ob sie aus der Ferne kommen oder ihren Ursprung in der Nähe haben: schnelle Schritte, gedämpfte Rufe.
    Auf halbem Weg zur Brücke öffnet sich plötzlich eine Art Tunnel, von Holzstangen begrenzt, die ich zuvor bei meiner Flucht gar nicht bemerkt habe.
    Es ist einer der Zugänge, die es erlaubten, Waren aller Art zu den Häusern am Kanal zu bringen: etwa zwei Meter hoch und vom hölzernen Gitterwerk, das nicht besonders stabil wirkt, zum Teil umschlossen. Ich brauche nur ein wenig zu ziehen, und schon löst sich eine Holzstange und dann noch eine. Daraufhin ist die Öffnung groß genug für

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