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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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betreten, mit allen Ehren. Keine Belohnung kann groß genug sein, wenn wir die Welt vom Dämonischen befreit haben. Vielleicht kann ich bei euch sogar Karriere machen, was meinst du? Gut predigen kann ich, keine Frage, und es mangelt mir sicher nicht an Charisma.«
    Einen derartigen Unsinn zu hören … Mir wird schlecht davon.
    Aber ich zeige meinen Abscheu nicht.
    »Warum befreist du mich dann nicht? Nimm mir die Fesseln ab, wenn wir Freunde sein sollen.«
    Der große Mann macht drei weitere Schritte. Dann bleibt er plötzlich stehen und lässt das Seil los, mit dem er mich gezogen hat.
    Er dreht sich zu mir um. Sein Gesicht sieht schrecklich aus.
    »Du hast recht. Natürlich. Wenn wir Freunde sind, sollte ich dich besser behandeln. Das haben wir gleich.«
    Gottschall holt ein langes, sehr gefährlich wirkendes Messer hervor und stapft mit einem schwachsinnigen Lächeln auf mich zu. Zwei kurze Schläge mit der Klinge, und die Fesseln fallen von mir ab.
    Ich setze mich mühsam auf und reibe mir die Handgelenke.
    »Leider funktioniert mein Kopf nicht mehr so gut wie früher«, entschuldigt sich Gottschall. »Verdammte giftige Luft! Ist schlimmer als Kryptonit. Hast du Durst?«
    Er löst eine Feldflasche vom Gürtel, schraubt sie auf und reicht sie mir.
    »Nimm. Das Wasser ist in Ordnung. Geschmolzener Schnee.«
    Ich starre auf die Feldflasche und schneide eine Grimasse.
    »Trink!«
    Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu gehorchen.
    Ich nehme einen vorsichtigen Schluck und versuche, nicht an das Risiko zu denken, das ich eingehe, indem ich dieses alles andere als saubere Wasser trinke.
    »Gut«, sagt Gottschall. »Ausgezeichnet. Trinken ist wichtig. Und essen. Hast du Hunger?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Lüg nicht. Man sieht, dass du Hunger hast. Hier, nimm.«
    Er zieht einige rotbraune Streifen aus der Parkatasche und bietet sie mir an.
    »Probier das hier. Schmeckt ganz gut und steckt voller Energie.«
    Ich nehme einen der schmutzigen Streifen entgegen und stecke ihn mir in den Mund.
    »Du musst gut kauen …«
    Wie viel Zeit ist vergangen, seit zum letzten Mal jemand solche Worte an mich gerichtet hat? Ich beiße ein Stück ab und glaube plötzlich, einen Teil der Vergangenheit im Mund zu haben. Mit geschlossenen Augen kaue ich und fühle mich zurückversetzt in die andere Welt, in eine Welt mit Jahreszeiten, Regen, warmem Sonnenschein auf der Haut …
    Plötzlich wird mir klar, was ich im Mund habe.
    Was ich kaue.
    Ich spucke den Brocken aus.
    Gottschall lacht.
    »Was hast du gegen die Kommunion des Fleisches? Erinnerst du dich an die Blinde?«
    »Kommunion …«
    »Erinnerst du dich an die blinde junge Frau? Die dir geholfen hat, meine Kathedrale zu verlassen? Ein Stück von ihr hast du gerade ausgespuckt.«
    Für einen Moment weigere ich mich, die ganze schreckliche Bedeutung dieser Worte zu erfassen.
    Dann bahnt sich die Erkenntnis einen Weg.
    Gottschall lacht erneut.
    »Ich hätte auch eure Doktorin verspeist! Ihr Fleisch wäre bestimmt sehr zart gewesen.«
    Ein Knurren kommt aus meiner Kehle, und mit der ganzen noch in mir steckenden Kraft – es ist nicht viel – springe ich dem großen Mann entgegen. Mit dem stärksten Fausthieb, den ich ihm versetzen kann, schaffe ich es gerade, ihn taumeln zu lassen. Dann, mit einem weiteren Lachen, versetzt mir der riesenhafte Mann eine Ohrfeige, die mich in den Schnee schleudert.
    Diese Ohrfeige rettet mir das Leben.
    Etwas pfeift an mir vorbei, schlägt in den Schnee und wirbelt eine kleine weiße Wolke auf. Unmittelbar darauf höre ich den Knall eines Schusses.
    Gottschall und ich sehen uns um.
    Bei einem Glockenturm blitzt es.
    Noch ein Schuss.
    Gottschall bekommt einen Stoß an die Schulter, dreht sich um die eigene Achse und fällt auf mich. Eine Sekunde später wälzt er sich von mir herunter und heult voller Schmerz, als er sich aufrichtet und flieht. Im Zickzack, um dem Schützen kein klares Ziel zu bieten, läuft er zur Insel San Michele.
    Es ist deutlich zu sehen, welchen Weg die Vaporetti zwischen Venedig und San Michele genommen haben: Im Bereich der Fahrrinne liegt der Boden zwei Meter tiefer und formt eine Art Tal in der Lagune, bis hin zur Insel der Toten. Gottschall ist tatsächlich nicht dumm, denn er läuft in Richtung dieses Tals.
    Wieder knallt es, und die Kugel klatscht dicht neben meiner Wange in den Schnee. Ich springe ebenfalls auf und laufe los, aber in eine andere Richtung, zum Festland.
    Ich weiß nicht, was mich zu dieser Entscheidung

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