Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
das sollte Ihnen klar sein. Kommen Sie mit dem Rucksack zurecht?«
»Es ist nicht so schlimm, wie ich zunächst dachte.«
»Gut. Wenn Sie Probleme damit haben, verteilen wir Ihre Last auf die Männer.«
»Ich werde schon damit fertig, bestimmt.«
In meinem Zimmer hatte ich lange vor dem offenen Spind gezögert und dann darauf verzichtet, die Flasche Whiskey mitzunehmen, die ich vom Kardinal bekommen hatte. Ich habe sie Maxim gegeben, der sprachlos gewesen war, als er sie gesehen hatte.
Umso besser. Vielleicht wäre sie eben bei meinem Sturz zerbrochen. Und selbst wenn sie heil geblieben wäre … Für einen so zerbrechlichen Gegenstand ist es dort draußen viel zu gefährlich.
Ich berühre die Jackentasche, in der das Notizbuch steckt. Die Flasche ist eine Art Gegengeschenk gewesen.
»Alles in Ordnung?«, fragt Durand. Die anderen Männer sind bereit, die große, hermetisch dichte Stahltür zu öffnen, die das Refugium von der Trostlosigkeit des Draußen trennt. »Funktioniert die Maske?«
»Ich bin bereit«, antworte ich, und die Gasmaske dämpft meine Stimme.
Die Wahrheit lautet: Ich weiß nicht, ob ich bereit bin.
»Denken Sie daran, das Dosimeter zu kontrollieren.«
Ich blicke auf den Apparat. Es ist keine der zusammengebastelten Vorrichtungen, die jeder von uns in seinem Quartier hat. Das Gerät stammt noch aus der Zeit vor dem Leid. Die Plastikteile der Abdeckung sind so zerkratzt, dass sie sich getrübt haben und nicht mehr ganz durchsichtig sind. Aber das Dosimeter ist auf jeden Fall ein kostbarer Schatz.
»Machen Sie sofort kehrt, wenn die Anzeige in den roten Bereich gerät. Verstanden?«
Ich nicke.
Manche Orte sind so verstrahlt, dass Overall und Maske uns nicht schützen können. Das Dosimeter ist draußen die wichtigste Waffe, die einzige gegen einen unsichtbaren tödlichen Feind.
Durand lächelt.
»Gehen wir.«
Ich sehe auf die Uhr. Es ist acht.
Zwei Männer, Korporal Diop und Soldat Bitka, stehen am Ausgang, und als der Hauptmann ihnen ein Zeichen gibt, öffnen sie die Tür. Sie stammt aus dem Tresorraum einer nahen Bank. Drei Monate hat es gedauert, sie zu demontieren und hierher zu bringen. Für die Montage im Eingang der Calixtus-Katakombe waren noch einmal zwei Wochen erforderlich. Ich habe beobachtet, wie die Gruppen zu ihren gefährlichen Arbeitseinsätzen im Freien aufbrachen, und dabei fielen mir die alten Kupferstiche ein, die Transport und Aufstellung des Obelisken auf dem Petersplatz zeigten. Lange Menschenkolonnen, wie Ameisen. Wir sind vierhundert Jahre in die Vergangenheit zurückgekehrt.
Bitka und Diop drehen zusammen das große Rad, unter den wachsamen Blicken von vier Gesandten des Stadtrats. Die Fichet-Bauche-Tür dreht sich langsam, Zentimeter um Zentimeter, in ihren großen Angeln. Zwei andere Männer – die beiden Italiener, deren Namen ich mir nicht merken kann – halten ihre Waffen bereit, aber hinter der Tür wartet nur die Dunkelheit der Nacht. Das Licht von Taschenlampen (wahre Kleinode, denn funktionierende Exemplare haben Seltenheitswert) streicht über die zum Gitter weiter oben führende Treppe. Früher einmal gab es hier Überwachungskameras und davor Wächter, aber nach dem Einbau der gepanzerten Tür hat der Stadtrat beschlossen, weder elektrischen Strom noch Ersatzteile zu vergeuden, um die Videoüberwachung in Betrieb zu halten. Und niemand wollte draußen den gefährlichen Wachdienst übernehmen.
Mir schlägt das Herz bis zum Hals, als ich die Treppe hochgehe. Ich rechne mit dem Schlimmsten. Jeder Schritt könnte mein letzter sein. Hinter uns machen sich die Männer des Stadtrats daran, die Tür wieder zu schließen. Im hin und her tanzenden Licht der Taschenlampen zeigen sich Ansammlungen von Schnee, und am Gitter glitzern Eiskrusten. Unsere Schritte hallen dumpf von den Wänden wider und knirschen im Schnee – es klingt nach zerreißendem Papier. Wir erreichen das Gitter ohne Probleme. Ich folge dem Beispiel der anderen und streife mir die Schneeschuhe über, die im Schuppen neben dem aufgegebenen Wachturm bereitliegen.
Während wir uns darauf vorbereiten, endgültig hinauszugehen, starre ich in die Nacht und habe das Gefühl, dass sie zurückstarrt, mit einem Blick, der mich erschauern lässt. Kalter Wind weht, und wir ducken uns wie unter einem schweren Gewicht. Hinter der Mauer, die im Dunkeln verborgen bleibt, befinden sich die Gräber mit den sterblichen Überresten der Leute, die der »Einwanderungspolitik« des Stadtrats zum Opfer
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